Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzunge der Abrechnungsfähigkeit unter die Mindestmengenregelung fallender Leistungen eines Krankenhauses
Orientierungssatz
1. Nach § 136b Abs. 4 S. 1 und 2 SGB 5 dürfen Krankenhäuser Leistungen, die der Mindestmengenregelung unterfallen, nicht bewirken und nicht abrechnen, wenn sie die erforderliche Mindestmenge bei planbaren Leistungen nicht erreichen werden. Dies ist in einem mehrstufigen Verfahren zu entscheiden. Die Entscheidung, ob die von den Krankenhausträgern angegebene Prognose zu bestätigen oder zu widerlegen ist, erfüllt die Tatbestandsmerkmale eines Verwaltungsakts i. S. des § 31 SGB 10.
2. Grundlage der Prognose ist nach § 136b Abs. 4 S. 4 SGB 5 das vorausgegangene Kalenderjahr, Bezugspunkt der Zeitangabe das Jahr, in dem die Prognose zu stellen ist und nicht das Jahr, für das die Prognose gilt.
3. Eine Prognoseentscheidung ist dann sachgerecht, wenn sie auf Erkenntnissen der Vergangenheit über Daten und Fakten beruht und berücksichtigt, welche Veränderungen für die Zukunft zu erwarten sind (BSG Urteil vom 3. 8. 2016, B 6 KA 20/15 R).
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 10. Mai 2019 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 44.999,42 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Berechtigung der Antragstellerin, im laufenden Kalenderjahr 2019 unter die Mindestmengenregelung fallende Leistungen „Komplexe Eingriffe am Organsystem Pankreas“ erbringen und abrechnen zu dürfen.
Die Antragstellerin ist Trägerin des zur Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen zugelassenen St. J Krankenhaus B. Für das Jahr 2018 bestätigten die Antragsgegnerinnen mit Schreiben vom 27. Januar 2018 dem Krankenhaus, dass es im Jahr 2018 voraussichtlich die erforderliche Mindestmengen für die Erbringung folgender Leistungen erreichen werde: Kniegelenks-Totalendoprothesen, komplexe Eingriffe am Organsystem Pankreas und Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht von 1.250 g.
Die Antragsgegnerinnen forderten die Antragstellerin mit Schreiben vom 17. Oktober 2018 auf, bis zum 15. November 2018 Unterlagen für die nach der Mindestmengenregelung erforderlichen Prognose vorzulegen, wenn das St. Joseph Krankenhaus auch im Jahr 2019 die Erbringung von mindestmengenrelevanten Leistungen beabsichtige. Nach § 10 der Mindestmengen-Regelung des Gemeinsamen Bundesausschusses (MmR) fänden die §§ 4 und 5 MmR für die Darlegung der Prognose noch keine Anwendung. Maßgebend seien die gesetzlichen Vorschriften. Mit E-Mail vom 5. November 2011 übermittelte die Antragstellerin den Antragsgegnerinnen, dass sie im Quartal I/2017 9, im Quartal II/2017 3, im Quartal III/2017 1, im Quartal IV/2017 3, im Quartal I/2018 3 und im Quartal II/2018 0 komplexe Eingriffe am Organsystem Pankreas vorgenommen habe. Für das Jahr 2019 werde die Prognose von 11 Eingriffen gestellt.
Die Antragsgegnerinnen bestätigten mit Schreiben vom 13. November 2018 zunächst den Eingang der Prognose und wiesen dann mit Schreiben vom 29. November 2018 darauf hin, dass in dem nach der MmR zu betrachtenden zweiten Zeitraum, den letzten beiden Quartalen des vorangegangenen Kalenderjahres und den ersten beiden Quartalen des laufenden Kalenderjahres, lediglich sieben Leistungen erbracht worden seien, mit denen die erforderliche Menge von 10 Leistungen nicht erreicht werde. Die für das Jahr 2019 gestellte Prognose von 11 Leistungen sei nicht erläutert worden. Es werde gebeten, innerhalb von 5 Kalendertagen nach Eingang des Schreibens vollständig und abschließend die Gründe darzulegen, aus denen sich ergebe, dass im Kalenderjahr 2019 die Mindestmenge von 10 Leistungen erreicht oder überschritten werde.
Durch Schreiben vom 17. Dezember 2018 antwortete die Antragstellerin, dass sie die Mindestmenge in den vergangenen Jahren nicht nur erreicht sondern überschritten habe. Aufgrund eines nicht erwarteten Weggangs des Chefarztes der Chirurgie seien im Jahr 2018 weniger Eingriffe im ersten Halbjahr ausgeführt worden. Mit Besetzung der Chefarztstelle im Januar 2019 sei von einem erneuten Anstieg der Fallzahlen auszugehen.
Mit Bescheid vom 11. Januar 2019 teilten die Antragsgegnerinnen der Antragstellerin mit, dass die für den Leistungsbereich „Komplexe Eingriffe am Organsystem Pankreas“ für das Kalenderjahr 2019 gestellte Prognose zu widerlegen sei. Die Antragstellerin habe im Kalenderjahr 2017 zwar 16 Leistungen erbracht. In den letzten beiden Quartalen des Jahres 2017 und den ersten beiden Quartalen des Jahres 2018 sei die Mindestmenge aber nicht erreicht, sondern um 30 Prozent unterschritten worden. Auch in den Eingriffszahlen vom Quartal I/2018 zu II/2018 habe sich ein weiterer Leistungsabfall gezeigt. Die Leistungszahlen der Quartale III/2018 und IV/2018 seien trotz Nachfrage nicht mitgeteilt worden. Aus der Entwicklung der Leistungszahlen hätten sich erhebl...