Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung von Ausbildungsförderung als Einkommen nach § 11 SGB 2

 

Orientierungssatz

1. Ein Mehrbedarf i. S. von § 21 SGB 2 ist ein Bedarf, der nicht durch die Regelleistung abgedeckt ist. Die Kosten für den Besuch einer privaten Schule sind in der abschließenden Regelung des § 21 SGB 2 nicht genannt und daher kein anzuerkennender Mehrbedarf.

2. Kosten des Besuchs einer privaten Schule sind vom Leistungsträger des SGB 2 weder aufgrund einer besonderen Förderungspflicht nach § 3 Abs. 2 SGB 2 noch als unabweisbarer Bedarf i. S. des § 23 SGB 2 zu tragen.

3. Die in § 7 Abs. 5 S. 2 SGB 2 vorgesehene Härtefallregelung entfällt beim Bezug von Leistungen nach dem BAfÖG.

4. Die Ausbildungsförderung nach dem BAfÖG ist Einkommen i. S. von § 11 Abs. 1 S. 1 SGB 2. Weil damit nicht nur Leistungen für den Unterhalt, sondern auch für die Ausbildung erbracht werden, ist es angemessen, 20 % daraus für die Kosten der Ausbildung abzuziehen und diesen Teil nicht als Einkommen zu berücksichtigen.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 7. Juni 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragsteller machen höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) unter Berücksichtigung eines zusätzlichen Bedarfs an Schulgeld, hilfsweise die Nichtberücksichtigung von Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) als Einkommen geltend.

Der am 1983 geborene Antragsteller zu 1) und die am 1986 geborene Antragstellerin zu 2) bilden eine Bedarfsgemeinschaft und erhalten von dem Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Die Antragstellerin zu 2) hat nach dem neunten Schuljahr die Schule verlassen.

Unter dem Datum des 10. Februar 2006 schloss die Antragstellerin zu 2) mit der BSD-Gesellschaft für innovative Bildung mbH (im Folgenden: BSD) einen Schulungsvertrag über die Teilnahme an einer Ausbildung zur Mediengestalter/in Fachrichtung Mediendesign. Gemäß § 2 des Vertrages begann die Ausbildung am 20. Februar 2006 und endet am 15. Januar 2009. Das Schulgeld beträgt 10.325,- Euro und ist in 35 monatlichen Raten in Höhe von 295,- Euro zu zahlen. Ferner ist eine Anmeldegebühr in Höhe von 50,- Euro zu entrichten.

Die Antragstellerin zu 2) beantragte am 14. Februar 2006 die Übernahme der Anmeldegebühr durch den Antragsgegner.

Der Antragsgegner bewilligte mit Bescheid vom 17. März 2006 den Antragstellern für den Zeitraum 1. April 2006 bis 30. September 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 838,40 Euro monatlich. Auf ihren Antrag vom 14. Februar 2006 bewilligte das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin mit Bescheid vom 20. März 2006 der Antragstellerin zu 2) ab dem 1. Februar 2006 eine Ausbildungsförderung nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BAföG in Höhe von monatlich 192,- Euro. Mit Änderungsbescheid vom 7. April 2006 setzte der Antragsgegner die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum 1. April 2006 bis 30. September 2006 unter teilweiser Aufhebung der vorangegangenen Entscheidung auf 714,80 Euro monatlich fest. Bei der Berechnung des Bedarfs berücksichtigte der Antragsgegner die der Antragstellerin zu 2) gewährte Ausbildungsförderung als deren Einkommen, und zwar in Höhe von 153,50 Euro monatlich abzüglich 30,- Euro. Gegen den Bescheid vom 7. April 2006 legten die Antragsteller mit anwaltlichem Schreiben vom 21. April 2006 Widerspruch ein. Zur Begründung führten sie im Wesentlichen aus, die Sachbearbeiterin Frau D habe ihr, der Antragstellerin zu 2), in dem Gespräch am 14. Februar 2006 die Auskunft erteilt, sie werde die Regelleistung zusätzlich zu dem beantragten Kindergeld und Ausbildungsförderung nach dem BAföG erhalten. Des Weiteren berufen sich die Antragsteller auf Vertrauensschutz und machen einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch geltend. Hilfsweise wird die Gewährung der Leistungen als Darlehen begehrt. Der Antragsgegner hat mit Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2006 (W 2402/06) über den Widerspruch gegen die Aufhebungsentscheidung und mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2006 (W 2409/06) über den hinsichtlich der Höhe der Leistungen eingelegten Widerspruch entschieden. Er hat in dem Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2006 zur Begründung ausgeführt, die Ausbildungsförderung nach dem BAföG sei zu Recht und in zutreffender Höhe angerechnet worden. Die Schülerausbildungsförderung nach dem BAföG werde von den Ausschlusstatbeständen des § 11 Abs. 1 SGB II nicht erfasst. Von der Ausbildungsförderung nach dem BAföG seien 20 % als reine Ausbildungskosten und 30,- Euro als so genannte Versicherungspauschale in Abzug gebracht worden. § 3 Abs. 2 SGB II eröffne keinen Rechtsanspruch auf eine staatlich subventionierte Wunschausbildung. Die Härtefallregelung des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II sei nicht anwendbar, da diese nur Auszubildende betreffe, die vom Leistungsbezug des SGB II ausgeschlossen se...

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