Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. pharmazeutisches Unternehmen. Zwischenverfügung. Schiedsstelle. Festsetzung. Erstattungsbetrag. gerichtliches Eilverfahren. Gebot des effektiven Rechtsschutzes. Festbetragsfestsetzung
Orientierungssatz
1. Ein gerichtliches Eilverfahren dient nicht dazu, für den Antragsteller gutachterlich Rechtsfragen zu klären, auf deren Grundlage dieser Entscheidungen treffen will.
2. Entsprechend dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nach Art 19 Abs 4 GG steht einem pharmazeutischen Unternehmer die Möglichkeit offen, gegen die im Weg einer Allgemeinverfügung iS von § 31 S 2 SGB 10 erlassene Festbetragsfestsetzung Anfechtungsklage zu erheben oder im Fall ihrer Bestandskraft eine Entscheidung nach § 44 SGB 10 durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen zu beantragen und dann inzident die Festbetragsgruppenbildung und das Nutzenbewertungsverfahren gerichtlich überprüfen zu lassen.
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Zwischenverfügung setzt immer voraus, dass der Eilantrag selbst nicht bereits offenbar erfolglos bleiben wird.
2. Die Schiedsstelle nach § 130b Abs 4 SGB V hat auch zu prüfen, ob die Festsetzung eines Erstattungsbetrages ausscheidet, weil kein neuer Wirkstoff vorliegt.
Tenor
Der Erlass einer Zwischenverfügung wird abgelehnt.
Gründe
I.
Im Streit ist der Beschluss des Antragsgegners vom 27. November 2015 über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie (Am-RL) durch Ergänzung der Anlage XIII- Beschlüsse über die Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35a SGB V Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (§ 35a SGB V)- um den Wirkstoff Ivermectin.
Die Antragstellerin ist die deutsche Tochtergesellschaft eines weltweit tätigen pharmazeutischen Unternehmens und vertreibt seit Juni 2015 das Arzneimittel Soolantra® Creme mit diesem Wirkstoff. Zugelassen ist es in Deutschland seit 29. April 2015 zur topischen Behandlung von entzündlichen Läsionen der (papulopustulösen) Rosazea.
Die Antragstellerin hat am 17. Dezember 2015 beim hiesigen Gericht folgenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eingereicht:
Es wird bis zur Vorlage einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren vorläufig festgestellt, dass die mit Beschluss vom 27. November 25015 durch den Antragsgegner vorgenommene Änderung der Anlage XII der Arzneimittel-Richtlinie zur Nutzenbewertung des Wirkstoffes Ivermectin (Soolantra®) unwirksam ist.
Sie ist der Auffassung, die Vorgehensweise des Antragsgegners sei ein offensichtlicher und evidenter Rechtsverstoß, weil es an der Grundvoraussetzung der vorläufigen Nutzenbewertung nach § 35a SGB V eines neuen Wirkstoffes fehle.
Ivermectin sei vor fast 30 Jahren entdeckt worden und diene seither der Behandlung der Krätze (Scabies) und anderer Erkrankungen. In Europa sei 1999 der Wirkstoff 1999 in Frankreich im Arzneimittel Soolantra® zur Behandlung der Krätze zugelassen worden, ferner 2003 als Stromectol® in den Niederlanden.
Der evident rechtswidrige Beschluss stelle für sie einen schwerwiegenden Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützte Betätigungsfreiheit dar, weil er eine vollständige Preisregulierung zur Folge habe und die Freiheit, den Preis für die eigenen Waren und Leistungen eigenverantwortlich festlegen zu können, zum Kernbereich der Privatautonomie gehöre. Sie müsse sich angesichts des unheilbaren Mangels nicht auf die nunmehr anstehenden Preisverhandlungen einlassen, um den Zustand nicht selbst zu perpetuieren.
Es drohten auch schwerwiegende irreparable wirtschaftliche Nachteile, die weder durch das Hauptsacheverfahren -eine Feststellungsklage gegen den Antragsgegner-, noch im Wege von Schadensersatzklagen hinreichend rückgängig gemacht werden könnten. Die Antragstellerin sei nämlich gezwungen, aufgrund § 4 Abs. 1 der Rahmenvereinbarung nach § 130b Abs. 9 SGB V zwischen dem GKV-Spitzenverband -GKV-Spitzenverband- und dem Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V., dem Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V., dem Pro Generika e.V., dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V., - Verbände der pharmazeutischen Unternehmer (RahmenV) zur Vereinbarung eines Rabattes gezwungen. Dies hätte weitreichende Folgen für den Arzneimittelabsatz in anderen europäischen Ländern, die direkt oder indirekt die Preise nach dem deutschen festlegten („referenzieren“). Um dies zu vermeiden, müsse sie nach § 4 Abs. 7 RahmenV binnen vier Wochen nach Veröffentlichung des Nutzenbewertungsbeschlusses, also bis zum 25. Dezember 2015, den Marktaustritt („Opt out“) erklären. Mit dem kompletten Rückzug aus dem deutschen Markt entstünden potentielle Umsatzverluste von ca. 17.033.331 € für die nächsten drei Jahre. Würde erst später festgestellt werden, dass die Preisregulierung aufgrund §§ 35a, 130b SGB V von Anfang an rechtswidrig gewesen sei, wäre die bereits erfolgte negative Preisreferenzierung nicht mehr vollständig rückgängig zu machen, weil spätere Anhebungen ausgeschlossen wären.
Würde die Antragstellerin Soolantra® erst nach einem Erfolg in der...