Entscheidungsstichwort (Thema)
Abtretung an Treuhänderin nach § 287 Abs. 2 InsO. Partnereinkommen. unterhaltsrechtlich fremde Kinder. Berechnung des Arbeitslosengeldes II, wenn Stiefkinder mit höherem Einkommen zur Bedarfsgemeinschaft gehören und Ansprüche an einen Privatinsolvenz-Treuhänder abgetreten sind. Anrechenbarkeit freiwilliger, nicht titulierter Unterhaltszahlungen auf den Arbeitslosengeld-II-Anspruch. gesetzliche Vermutung eines finanzillen Beitrags leistungsfähiger Angehöriger der Anspruchsberechtigen einer Bedarfsgemeinschaft. keine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Abwägung bei der vorläufigen Berechnung der Arbeitslosengeld-II- Leistungen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
Leitsatz (redaktionell)
1. Wer wegen eigenen Einkommens keinen Anspruch auf Sozialhilfe hat, kann für die Berechnung des Arbeitslosengeldes II zur Bedarfsgemeinschaft gehören.
2. Einkommen eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft, das im Insolvenzverfahren der Restschuldbefreiung an den Treuhänder abgetreten ist, darf nicht auf den Arbeitslosengeld-II-Anspruch der Bedarfsgemeinschaft angerechnet werden, und zwar auch nicht, wenn das Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ein Stiefkind des Antragstellers ist.
3. Freiwillige, nicht titulierte Unterhaltszahlungen sind bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II nicht zu berücksichtigen.
4. Die gesetzliche Vermutung, dass Verwandte und Verschwägerte in einer Haushaltsgemeinschaft nach ihren finanziellen Möglichkeiten Leistungen beitragen, gilt nicht, wenn keine Bedarfsgemeinschaft, sondern nur eine Haushaltsgemeinschaft zwischen Verwandten und Verschwägerten besteht.
5. Ein Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht zulässig.
Normenkette
SGB II § 7 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 3 Nr. 4 Fassung: 2006-03-26, § 5 Abs. 2 S. 3 Fassung: 2004-07-30, §§ 8, 9 Abs. 1, 2 Sätze 2-3, Abs. 5, § 11 Abs. 2 Nr. 7; SGB XII §§ 41-43; ZPO § 850f Abs. 1; BGB § 1590 Abs. 1; GG Art. 100 Abs. 1; SGG § 86b Abs. 2 S. 2
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 2. August 2007 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller zu 2) für die Zeit vom 12. Juli 2007 bis zum 31. Dezember 2007 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von insgesamt 802,26 Euro zu gewähren und für die Zeit vom 1. September 2007 bis zum 31. Dezember 2007 vorläufig weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an die Antragstellerin zu 1) in Höhe von insgesamt 366,85 Euro, an die Antragsteller zu 3 und 4 in Höhe von jeweils insgesamt 253,90 Euro und an die Antragstellerin zu 5 in Höhe von insgesamt 213,21 Euro zu gewähren.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat den Antragstellern die Kosten des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu erstatten.
Gründe
I.
Die 1970 geborene Antragstellerin zu 1 und der 1959 geborene Antragsteller zu 2 sind seit 1997 verheiratet. Sie leben gemeinsam mit dem 1990 geborenen Antragsteller zu 3, der 1992 geborenen Antragstellerin zu 4 und der 1997 geborenen Antragstellerin zu 5 in einem Haushalt. Der Antragsteller zu 3 und die Antragstellerin zu 4 sind Kinder aus erster Ehe der Antragstellerin zu 1; die Antragstellerin zu 5 ist das gemeinsame Kind der Antragstellerin zu 1 und des Antragstellers zu 2. Der Antragsteller zu 2 ist seinen Kindern aus erster Ehe Marcel (geboren 1988) und Nadine (geboren 1991) unterhaltspflichtig, die im Haushalt ihrer Mutter leben. Die beiden Kinder halten sich während der Woche tagsüber (nach der Schule) im Haushalt der Antragsteller auf und erhalten dort Mahlzeiten. Zwischen dem Antragsteller zu 2 und seiner geschiedenen Ehefrau besteht eine Vereinbarung, wonach er für jedes Kind monatlich 250,- Euro Unterhalt bar zahlt. Die Leistungen im Haushalt der Antragsteller werden mit je 100,- Euro pro Monat zusätzlich angerechnet.
Der Antragsteller zu 2, der nicht erwerbsfähig ist, erhält von der DRV Bund seit dem 1. Februar 2006 eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung (monatlicher Zahlbetrag 1282,91 Euro) und von der Pensionskasse der BEWAG eine Versorgungsleistung (monatlicher Zahlbetrag in Höhe von 921,96 Euro). An die Einstellung eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen (Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 26. April 2007) schließt sich derzeit die so genannte Wohlverhaltensphase gem. §§ 201 Abs. 3, 286 ff. Insolvenzordnung (InsO) an, die das Amtsgericht Charlottenburg mit Beschluss vom 21. März 2007 auf sechs Jahre festgelegt hat. Dabei gehen die pfändbaren Bezüge des Antragstellers zu 2 (derzeit 67,- Euro monatlich) entsprechend seiner Abtretungserklärung vom 27. Oktober 2004 (§ 287 Abs. 2 InsO) auf die bestellte Treuhänderin über. Diesen Teil seines Einkommens führt er an die Treuhänderin ab. Ein Antrag auf Änderung des unpfändbaren Betrages im Hinblick auf die Belastungen durch die im selben Haush...