Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitssuchende: Einbeziehung eines während eines Sozialrechtsstreits um einen vorläufigen Grundsicherungsbescheid erlassenen endgültigen Bescheides in das Verfahren
Leitsatz (amtlich)
Endgültige Festsetzung der Leistungshöhe nach dem SGB 2 - Klage auf endgültige Leistungen
Orientierungssatz
In einem Verfahren über die Rechtmäßigkeit eines vorläufigen Grundsicherungsbescheides wird ein im Laufe des Verfahrens erlassener endgültiger Bescheid an den Betroffenen nicht ohne Weiteres auch Gegenstand des anhängigen Verfahrens.
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 1. März 2011 wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die form- und fristgerecht (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG) erhobene Beschwerde der Kläger ist zulässig, aber nicht begründet.
Mit ihrer Beschwerde verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter, ihnen Prozesskostenhilfe (PKH) für ihre Klage gegen den Änderungsbescheid des Beklagten vom 20. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2009 zu gewähren. Mit dieser Klage begehrten sie die Gewährung höherer Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01. August 2008 bis 30. November 2008.
Mit Bescheid vom 26. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2008 bewilligte der Beklagte den Klägern vorläufig (bis zur Vorlage von Einkommensbescheinigungen/Lohnabrechnungen) Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. August 2008 bis 31. Januar 2009. Hiergegen erhoben die Kläger am 4. November 2008 bei dem Sozialgericht Berlin Klage (S 18 AS 34392/08), die sie im Termin zur mündlichen Verhandlung am 22. April 2010 zurücknahmen. Mit Änderungsbescheid vom 20. November 2008 berücksichtigte der Beklagte das vom Kläger zu 1) tatsächliche erzielte Einkommen und stellte den Leistungsanspruch für die Zeit vom 1. August bis 30. November 2008 unter teilweiser Aufhebung der Leistungsbewilligung endgültig fest. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2009 zurück mit der Begründung, dass der Änderungsbescheid vom 20. November 2008 gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens S 18 AS 34392/08 geworden sei. Die Kläger erhoben hiergegen am 11. Juni 2009 bei dem Sozialgericht Berlin Klage und erklärten mit Schriftsatz vom 5. Mai 2011 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 1. März 2011 über die Kostenerstattung dem Grunde nach entschieden (der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu ¼) und mit weiterem Beschluss vom 1. März 2011 den Antrag auf Bewilligung von PKH abgelehnt. Das Begehren habe keine Aussicht auf Erfolg gehabt, weil die Klage wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig gewesen sei. Der Bescheid vom 20. November 2008 sei nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens S 18 AS 34392/08 geworden. Die Bescheide vom 26. Juni 2008 und 20. November 2008 würden die Höhe der Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 1. August bis 30. November 2008 regeln. Durch die endgültige Festsetzung der Leistungshöhe für den strittigen Zeitraum sei der vorläufige Leistungsbescheid ersetzt worden (Bezugnahme auf Leopold in info also 2008, 104, 108).
Nach § 73a SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) setzt ein Anspruch auf PKH voraus, dass der Beteiligte nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, beurteilt das Gericht ohne abschließende tatsächliche oder rechtliche Würdigung des Streitstoffs. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob der Kläger/Antragsteller eine reale Chance zum Obsiegen hat. Die Anforderungen an die Erfolgsaussichten dürfen nicht überspannt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2003, 1 BvR 1152/02 = SozR 4-1500 § 73a Nr. 1). Die PKH darf allerdings bei einer “nur entfernten Erfolgschance„ verweigert werden.
Hiervon ausgehend hat das Sozialgericht Berlin im Ergebnis zu Recht den Antrag auf Bewilligung von PKH mangels Erfolgsaussicht der Klage abgelehnt.
Allerdings kann die mangelnde Erfolgsaussicht nicht bereits auf eine Unzulässigkeit der Klage wegen doppelter Rechtshängigkeit (§ 94 SGG) gestützt werden. Denn bislang ist noch nicht höchstrichterlich abschließend entschieden, ob ein Bescheid über die endgültige Festsetzung eines Leistungsanspruchs nach dem SGB II Gegenstand eines Klageverfahrens gegen einen Bescheid über die vorläufige Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II (§§ 40 SGB II, 328 Drittes Buch Sozialgesetzbuch) für denselben Zeitraum wird (offen gelassen in LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Oktober 2009, L 10 AS 654/09 NZB, juris, mit weiteren Nachweisen zum Streitstand)...