Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei ungeklärter, aber klärungsbedürftiger entscheidungserheblicher Rechtsfrage
Orientierungssatz
1. Ist im Rechtstreit eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist, so muss nach § 73a SGG Prozesskostenhilfe bewilligt werden.
2. Für die Entscheidung über die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers zu Leistungen des SGB 2 ist entscheidend, ob im Bedarfszeitraum Einkommen in bedarfsdeckender Höhe tatsächlich und zur endgültigen Verwendung zur Verfügung steht (BSG Urteil vom 17. 6. 2010, B 14 AS 46/09).
3. Ob bei doppelter Kindergeldzahlung bei einem fehlenden bewilligenden Bescheid für die zweite Kindergeldzahlung eine Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers besteht, ist in der Rechtsprechung noch nicht geklärt.
4. Damit ist die hinreichende Erfolgsaussicht zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe gegeben.
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerinnen wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 2. Oktober 2017 aufgehoben.
Dem Sozialgericht werden die weiteren Anordnungen zur Feststellung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse übertragen.
Gründe
I.
Die Klägerinnen wenden sich gegen die teilweise Aufhebung leistungsbewilligender Bescheide und Erstattung von 409,20 Euro und von 694,80 Euro für Oktober 2014 bis März 2015, von 0,50 Euro für September 2015 und von 976,00 Euro für April 2015 bis September 2015 sowie von 0,50 Euro und von 153,50 Euro für Oktober 2015.
Die im Juli 1989 geborene Klägerin zu 1 und deren im Februar 2014 geborene Tochter, die Klägerin zu 2, lebten seit 1. Oktober 2014 in Bedarfsgemeinschaft in der Tstraße in B.
Die Klägerin zu 1 bezog bis April 2015 Elterngeld. Ihr war zudem Kindergeld für die Klägerin zu 2 bewilligt worden. Die Klägerin zu 2 erhielt einen Unterhaltsvorschuss. Mit Bescheid des Bezirksamtes Mitte von Berlin - Jugendamt vom 28. April 2015 war der Unterhaltsvorschuss gewährende Bescheid vom 4. Februar 2015 für die Zeit vom 1. Oktober 2014 bis 30. November 2014 aufgehoben worden.
An die Klägerin zu 1 wurde Kindergeld einerseits unter ihrem Namen “P „ und anderseits unter ihrem Namen “P„ und damit monatlich in doppelter Höhe in der Zeit vom 1. Oktober 2014 bis 30. November 2015 (insgesamt 2.620,00 Euro zuviel: 3 x 184 Euro und 11 x 188 Euro) ausgezahlt. Mit Bescheid vom 20. November 2015 forderte die Familienkasse Berlin-Brandenburg den in diesem Zeitraum irrtümlich in doppelter Höhe gezahlten Betrag zurück: Eine der Zahlungen sei ohne Rechtsgrund erfolgt, so dass der zu viel gezahlte Betrag in Höhe von 2.620 Euro nach § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) zu erstatten sei.
Mit Bescheid vom 22. Juni 2015 hatte der Beklagte den Klägerinnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit von Oktober 2014 bis Dezember 2014 in Höhe von 668,76 Euro monatlich (555,13 Euro für die Klägerin zu 1, 113,63 Euro für die Klägerin zu 2) und von Januar 2015 bis März 2015 in Höhe von 684,64 Euro monatlich (566,67 Euro für die Klägerin zu 1, 117,97 Euro für die Klägerin zu 2) bewilligt.
Mit weiterem Bescheid vom 22. Juni 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24. August 2015 hatte der Beklagte den Klägerinnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit von April 2015 bis August 2015 in Höhe von 954,64 Euro monatlich (790,14 Euro für die Klägerin zu 1, 164,50 Euro für die Klägerin zu 2) und für September 2015 in Höhe von 943,64 Euro (790,14 Euro für die Klägerin zu 1, 153,50 Euro für die Klägerin zu 2) bewilligt.
Mit Bescheid vom 27. Oktober 2015 hatte der Beklagte den Klägerinnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts u. a. für die Zeit von Oktober 2015 bis November 2015 in Höhe von 943,64 Euro monatlich (790,14 Euro für die Klägerin zu 1, 152,50 Euro für die Klägerin zu 2) bewilligt.
Der Beklagte berücksichtigte dabei im Zeitraum von Oktober 2014 bis November 2015 als Einkommen der Klägerin zu 2 u. a. Kindergeld von 184,00 Euro monatlich.
Nachdem der Beklagte die Klägerin zu 1 dazu angehört hatte, dass wegen des doppelten Bezuges von Kindergeld die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in geringerer Höhe hilfebedürftig gewesen und deswegen die Bewilligungsentscheidungen teilweise zurückzunehmen seien, erteilte er die Bescheide zur Rücknahme und Erstattung jeweils vom 24. März 2016, mit denen er für die Zeit von Oktober 2014 bis März 2015 unter entsprechender Rücknahme der Bewilligungsbescheide die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes wie folgt festsetzte:
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Oktober 2014 bis März 2015 |
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484,76 Euro für die Klägerin zu 1, 0,00 Euro für die Klägerin zu 2, |
April 2015 bis August 2015 |
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790,14 Euro für die Klägerin zu 1, 0,00 Euro für die Klägerin zu 2 |
September 2015 |
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789,64 Euro für die Klägerin zu 1, 0,00 Euro für die Klägerin zu 2 |
Oktober 2015 bis November 2015 |
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789,64 Euro für die Klägerin zu 1, 0,00 Euro für die Klägerin zu 2. |
Der Beklagte berücksichtigte dabei neben Kindergeld von 184 Euro monatlich als sonstiges Einkommen bei der Klägerin zu 2 1...