Entscheidungsstichwort (Thema)
Sofortige Vollziehbarkeit der Entscheidung über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Rücknahme-, Aufhebungs- oder Erstattungsbescheid. Adressat und Bestimmtheit. Einkommensberücksichtigung. zweckbestimmte Einnahme. Spesen
Orientierungssatz
1. Bei einer Entscheidung über die Rücknahme oder Aufhebung eines Bewilligungsbescheides - auch soweit er sich auf die Vergangenheit bezieht - handelt es sich um eine Entscheidung über Leistungen der Grundsicherung iS von § 39 Nr 1 SGB 2, gegen die Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben.
2. Der Widerspruch gegen einen Erstattungsbescheid nach § 50 SGB 10 hat jedoch aufschiebende Wirkung.
3. Die Rücknahme der Leistungsbewilligung für die Bedarfsgemeinschaft darf nicht nur gegenüber dem Vertreter der Bedarfsgemeinschaft iS von § 38 SGB 2 erfolgen, sondern es muss für jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft im Hinblick auf den Individualanspruch ein rechtlich gesonderter Bescheid ergehen.
4. Vom Arbeitgeber gezahlte Spesen können nicht zu berücksichtigende zweckbestimmte Einnahmen iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB 2 darstellen.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 25. April 2006 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 14. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2005 aufschiebende Wirkung hat, soweit der Antragsgegner mit dem genannten Bescheid eine Erstattungsforderung in Höhe von 2.467,62 € geltend gemacht hat. Soweit er in dem Bescheid die Leistungsgewährung für die Zeit vom 01. Januar bis zum 30. Juni 2006 zurückgenommen hat, wird die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet.
Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die notwendigen Kosten für das gesamte einstweilige Rechtsschutzverfahren zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Anordnung bzw. Feststellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Antragsgegners.
Die 1955 geborene Antragstellerin lebt zusammen mit ihrem Ehemann und dem gemeinsamen, 1990 geborenen Sohn C. Im Oktober 2004 beantragte sie die Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). In diesem Zusammenhang legte sie u.a. eine Einkommensbescheinigung für ihren Ehemann vom 03. Oktober 2004 vor, nach der dieser bei der Firma R Transporte zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 1.535,00 € beschäftigt war. Unter Ansatz des Regelsatzes in Höhe von 298,00 € für die Antragstellerin und ihren Ehemann, von Sozialgeld in Höhe von 265,00 € für den Sohn und anteilige Kosten für Unterkunft in Höhe von jeweils 181,75 € errechnete der Antragsgegner einen Bedarf der Antragstellerin und ihres Ehemann von je 479,72 € und von 446,75 € des Sohnes. Dem stellte er Einkommen der Antragstellerin in Höhe von 43,81 €, ihres Ehemannes von 797,14 € und des Sohnes von 154,00 € gegenüber und berechnete einen Anspruch der Antragstellerin und ihres Ehemannes in Höhe von je 157,55 € sowie ihres Sohnes in Höhe von 96,15 €. Auf dieser Grundlage gewährte er mit an die Antragstellerin gerichtetem Bescheid vom 13. Dezember 2004 ihr und den mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen vom 01. Januar bis zum 30. Juni 2005 monatliche Leistungen in Höhe von insgesamt 411,27 €.
Anlässlich der Geltendmachung eines Fortzahlungsantrages legte die Antragstellerin eine Einkommensbescheinigung für ihren Ehemann vor, nach der dieser seit dem 01. Dezember 2004 bei der Firma Transporte S Güternah- und Fernverkehr zu einem monatlichen Bruttolohn von 1.613,29 € beschäftigt war und monatliche Nettospesen in Höhe von 504,00 € erhielt.
Mit an den Ehemann der Antragstellerin gerichtetem Anhörungsschreiben vom 14. Juni 2005 informierte der Antragsgegner daraufhin den Empfänger des Schreibens, dass es in der Zeit vom 01. Januar bis zum 30. Juni 2005 zu einer Überzahlung von insgesamt 2.467,62 € gekommen sei. Dies sei darauf zurückzuführen, dass er eine für den Leistungsanspruch erhebliche Änderung in den Verhältnissen nicht angezeigt habe. Es sei daher beabsichtigt, die Entscheidung über die Bewilligung der Leistung für den genannten Zeitraum ganz aufzuheben. Für den Fall, dass Leistungen zu erstatten seien, sei ferner eine Aufrechnung beabsichtigt.
Am selben Tage - also ebenfalls am 14. Juni 2005 - hob der Antragsgegner mit an die Antragstellerin gerichtetem Bescheid die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II gestützt auf § 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) mit Wirkung ab dem 02. Januar 2005 vollständig auf.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Antragstellerin vom 23. Juni 2005, mit dem sie geltend machte, dass die ihrem Ehemann vom Arbeitgeber gezahlten Spesen zu Unrecht als Einkommen berücksichtigt worden seien, wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2005 zurück. Der Ehemann der...