Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Leistungsgewährung an EU-Ausländer
Orientierungssatz
1. Der Ausschluss des Leistungsbezugs für Grundsicherungsleistungen in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB 2 auch für EU-Ausländer steht nicht im Widerspruch zu geltendem Europarecht.
2. Für EU-Bürger aus Bulgarien oder Rumänien ist dieser Leistungsausschluss jedenfalls solange berechtigt, wie diese von der uneingeschränkten Freizügigkeit ausgeschlossen sind.
3. Die Sozialgerichte sind im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nach § 86b Abs. 2 SGG grundsätzlich nicht berechtigt, formelle Gesetze (hier: § 7 Abs. 1 S. 2 SGB 2) als unwirksam zu behandeln (entgegen LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11. August 2011, Az.: L 15 AS 188/11 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. November 2010, Az.: L 34 AS 1501/10 B ER). Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn bei einer Berücksichtigung der Norm trotz der Bedenken des Gerichts bezüglich deren Wirksamkeit die Durchsetzung der Ansprüche des Betroffenen endgültig vereitelt würde. Allerdings ist dann kein Raum lediglich für eine Folgenabwägung, sondern vielmehr eine abschließende Prüfung der Sach- und Rechtslage auch im Eilverfahren geboten.
Tenor
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 02. August 2012 abgeändert.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird vollumfänglich abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer (Antragsgegner im Ausgangsverfahren) wendet sich gegen die mit dem Beschluss ergangene einstweilige Verpflichtung, den Antragstellern Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II - ab 18. Juni 2012 bis 30. September 2012 zu gewähren.
Die Antragsteller zu 1. und 2. sind die miteinander verheirateten Eltern der 1995 bis 1997 geborenen Antragsteller zu 3. bis 5. Alle sind rumänische Staatsangehörige. Die Antragsteller halten sich seit 2008 in Deutschland auf. Nachdem den Antragstellern zumindest zuletzt bis 31. Mai 2012 Leistungen nach dem SGB II (vorläufig) bewilligt worden waren (Bescheid vom 16. November 2011, mtl. 1477,67 Euro), hob der Antragsgegner mit Bescheid vom 24. April 2012 die Bewilligung für die Zeit ab 01. März 2012 mit der Begründung auf, aus dem Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitssuche hätten die Antragsteller keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Es seien grob fahrlässig falsche Angaben gemacht worden. Hiergegen haben die Antragsteller am 04. Mai 2012 Widerspruch erhoben.
Einen Antrag auf Weiterzahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom 15. Juni 2012 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 26. Juni 2012 ab. Auch hiergegen haben die Antragsteller am 16. Juli 2012 Widerspruch erhoben.
Die Antragsteller haben am 18. Juni 2012 beim Sozialgericht Berlin beantragt, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Verfügung zu verpflichten, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und Kosten für Unterkunft und Heizung ab Antragseingang bei Gericht in Höhe von mtl. 1477,67 Euro sowie Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung zu gewähren.
Mit Beschluss vom 02. August 2012 hat das Sozialgericht den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern für den Zeitraum ab 18. Juni 2012 bis 30. September 2012 Leistungen nach dem SGB II zu gewähren und zwar für den Monat Juni in Höhe von insgesamt 364,00 Euro, für Juli bis September in Höhe von monatlich insgesamt 839,60 Euro. Im Übrigen hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt.
Gegen den am 08. August 2012 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 16. August Beschwerde eingelegt. Er ist der Auffassung, die Antragsteller sind vom Leistungsbezug des SGB II ausgeschlossen.
Auf den Antrag des Antragsgegners hat der Senat mit Beschluss vom 20. August 2012 die Vollstreckung aus dem Beschluss ausgesetzt.
Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 02. August 2012 abzuändern und den Antrag der Antragsteller vollumfänglich abzulehnen.
Die Antragsteller beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des Verwaltungsvorgangs des Antragsgegners Bezug genommen, der vorlag und Gegenstand der Beratung gewesen ist.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antragsgegner zu Unrecht zur Leistungserbringung an die Antragsteller verpflichtet.
Die Voraussetzungen für den Erlass der einstweiligen Anordnung lagen nicht vor. Der Beschluss war daher abzuändern und der Antrag der Antragsteller insgesamt abzuweisen.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. D...