Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Nichtberücksichtigung von Einstiegsgeld als Einkommen bei der Bemessung der Regelleistung
Orientierungssatz
1. Die Angemessenheit einer Wohnung zur Bestimmung der vom Grundsicherungsträger zu übernehmenden Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB 2 ist nach der Produkttheorie zu ermitteln. Sie ergibt sich aus dem Produkt von Wohnfläche und maßgeblichem Standard. Bei der angemessenen Wohnungsgröße ist auf die für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau anerkannte Wohnraumgröße abzustellen. Für einen Einpersonenhaushalt ist eine Wohnfläche von bis zu 50 qm zugrunde zu legen.
2. Bei der Bewilligung der Regelleistung nach § 20 SGB 2 soll Einstiegsgeld von einer Einkommensanrechnung nach § 11 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 11 a Abs. 1 Nr. 1 SGB 2 grundsätzlich frei bleiben. Einstiegsgeld bezweckt nicht allein, die Kosten abzudecken, welche für den Aufbau einer selbständigen Tätigkeit anfallen, sondern berücksichtigt auch bedarfsbezogene Aspekte im Hinblick auf die Hilfe zum Lebensunterhalt.
3. Ist dem Hilfebedürftigen vorläufig ein Regelsatz von monatlich 239.- €. bewilligt worden, so ist ihm im einstweiligen Rechtsschutz bis zur Entscheidung in der Hauptsache zuzumuten, die Differenz bis zum vollen Regelsatz in Höhe von 399.- €. aus dem monatlichen Einstiegsgeld zur Überbrückung der geltend gemachten Notlage zu verwenden.
Tenor
Die Beschwerden des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 04. Juni 2015 werden zurückgewiesen und der weitergehende Antrag wird abgelehnt.
Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners, ihm für die Zeit vom 19. Mai 2015 bis 30. Juni 2015 weitere monatliche Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von monatlich 393,37 Euro zu zahlen und im Wege der Antragserweiterung für die Zeit ab 1. Juli 2015 bis zur Entscheidung in der Hauptsache monatliche Leistungen in Höhe von 1.063,37 Euro.
Der am 1963 geborene Antragsteller ist seit 2003 selbstständig als Industriedesigner tätig und seit 2014 als Life-Coach. Für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2014 gab er auch eine selbstständige Tätigkeit als Personaltrainer an. Er bezog jedenfalls auch in den Jahren 2010 bis 2014 Leistungen auf der Grundlage des SGB II beim Antragsgegner. Der Antragsteller hat eine 88,23 m² große Drei-Zimmer-Wohnung in der Rstraße in B angemietet. Die Grundmiete dieser Wohnung liegt bei 502,91 Euro, die Nebenkosten bei 77,64 Euro und die Heizkosten bei 83,82 Euro.
Dem Antragsteller floss im Mai und Juni 2015 jeweils ein Einstiegsgeld in Höhe von 273,70 Euro zu, das der Antragsteller nach eigener Auskunft bis September 2015 erhält.
In seiner dem Fortzahlungsantrag aus Februar 2015 beigefügten vorläufigen Erklärung zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit gab er hinsichtlich der Tätigkeit “Industriedesign„ an, keine Einnahmen zu erwarten und hinsichtlich der selbstständigen Tätigkeit “Life-Coach„ monatlich 200,00 Euro. Hiervon rechnete er nicht weiter belegte Ausgaben (Steuern 25,00 Euro, Versicherungen 66,50 Euro, Büromaterial 10,00 Euro, Telefonkosten 5,00 Euro) ab, so dass er auf einen monatlichen Gewinn in Höhe von 93,50 Euro kam.
Auf einen Weiterbewilligungsantrag hin, der am 5. Februar 2015 beim Antragsgegner einging bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 13. März 2015 für den Zeitraum 1. Februar bis 30. Juni 2015 vorläufig Leistungen in Höhe von insgesamt 670,00 Euro monatlich, dabei einen Regelbedarf in Höhe von 239,00 Euro unter Anrechnung eines monatlichen Einkommens in Höhe von 160,00 Euro und als Kosten für Unterkunft und Heizung monatlich 431,00 Euro.
Mit Eingang am 24. März 2015 legte der Antragsteller Widerspruch gegen den vorläufigen Bescheid vom 13. März 2015 ein. Zur Begründung führte er aus, seine Kosten für Unterkunft und Heizung seien in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen, denn er habe im Monat Januar 2015 bedarfsdeckende Einnahmen erzielt und keine Leistungen nach dem SGB II bezogen. Durch die Unterbrechung des Leistungsbezuges und die damit verbundene Überwindung der Hilfebedürftigkeit wirke eine Kostenbeschränkung bei Eintritt eines neuen Leistungsfalls nicht fort. Auch sei die Einkommensanrechnung fehlerhaft.
Mit Eingang 19. Mai 2015 beantragte der Antragsteller bei dem Sozialgericht Berlin den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der vorläufigen Verpflichtung, ihm ab Antragstellung weitere monatliche Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 393,37 Euro zu gewähren. Dies sei die Differenz zwischen den im vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 13. März 2015 bewilligten Leistungen zu den ihm tatsächlich zustehenden Leistungen für die tatsächlich zu erbringenden Kosten für Unterkunft und Heizung sowie zur Höhe des vollen Regelsatzes. Er erziele kein Einkomme...