Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Bauarbeiter. Arbeitseinsatz auf Baustellen auf der Basis eines Werkvertrags. Abgrenzung. abhängige Beschäftigung. selbstständigen Tätigkeit
Orientierungssatz
Ist ein Bauarbeiter gegenüber seinem Auftraggeber weisungsgebunden, unterhält er keine eigenen Geschäftsräume, ist die Arbeitsleistung persönlich zu erbringen, erfolgt die Bezahlung nach geleisteten Arbeitsstunden und hat er ein unternehmerisches Risiko nicht zu tragen, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. Januar 2021 aufgehoben.
Der Antrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird für das Antrags- und das Beschwerdeverfahren auf jeweils 131.642,33 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt mit dem am 3. Dezember 2020 vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) eingegangenen Antrag die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer am selben Tag zum Aktenzeichen S 43 BA 51/20 erhobenen Klage gegen eine Beitragsnachforderung aufgrund eines Betriebsprüfungsbescheids der Antragsgegnerin.
Die Antragstellerin ist eine Untergesellschaft der 1990 gegründeten , die sich ausweislich ihrer Homepage auf Fragen der Haustechnik (Sanitär, Heizung, Klima, Lüftung, Photovoltaik, Solar usw.) spezialisiert hat. Sie, die Antragstellerin, beauftragte ihrem Vorbringen zufolge im Rahmen diverser Bauvorhaben ungarische Subunternehmer, mit denen jeweils Werkverträge geschlossen worden seien. Nach zwischenzeitlicher Aussetzung der Vollziehung des Bescheides vom 21. August 2019 wegen einer Beitragsnachforderung in Höhe von ursprünglich 438.894,22 € (Bescheid der Antragsgegnerin vom 18. September 2019) und einer Teilabhilfe (Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. September 2020 unter Reduzierung der Beitragsnachforderung, der Beträge zur Umlage U1 und U2, der Insolvenzgeldumlage sowie des Entfallens von Säumniszuschlägen) im Widerspruchsverfahren sowie zurückweisendem Widerspruchsbescheid im Übrigen (Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 16. November 2020) wendet sie sich mit der vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) am 3. Dezember 2020 erhobenen Klage S 43 BA 51/20 noch gegen eine Beitragsnachforderung in Höhe von insgesamt 263.284,65 €. Bei allen 32 in Frage stehenden, ungarischen Monteuren, die von der Firma vermittelt (nachfolgend Fa. K.) und mit denen für den jeweiligen Arbeitseinsatz auf diversen Bauvorhaben als Subunternehmer Werkverträge geschlossen worden seien, lägen selbständige und damit nicht sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten vor. Die Subunternehmer hätten über eigenes Werkzeug und eigene Arbeitskleidung verfügt und die Arbeiten nach dem Werkvertrag eigenverantwortlich ausgeführt. Sie seien nicht in den betrieblichen Ablauf der Antragstellerin eingegliedert gewesen und hätten über ihre Arbeitszeit bei selbst getragenem Unternehmerrisiko bestimmen können. In Einzelfällen habe ein Interesse der Werkunternehmer an einer Anstellung bestanden, dem sie, die Antragstellerin, nachgekommen sei. Das Ermittlungsverfahren gegen ihre Geschäftsführer sei zwischenzeitlich eingestellt worden. Auch aufgrund der Vernehmungen der ungarischen Arbeiter habe sich das Vorliegen abhängiger Beschäftigung nicht bestätigt. Die Antragsgegnerin habe aus der gleichartigen Verwendung von Werkverträgen zu Unrecht in Bezug auf alle ungarischen Personen gefolgert, dass es sich bei diesen um abhängige Beschäftige handle. Dass Werkunternehmer Subunternehmer beauftragten, um Auftragsspitzen abzufangen, entspreche dem Regelfall. Eine zusätzliche Vergütung für Mängelbeseitigung habe es nicht gegeben, worin sich das unternehmerische Risiko der ungarischen Werkunternehmer zeige. In Bezug auf keine der 32 Personen sei der Beweis einer abhängigen Beschäftigung seitens der Antragsgegnerin geführt worden. Die Befragung einzelner Personen habe überwiegend die Tätigkeit für andere Firmen betroffen. Die Belastung mit einer ersichtlich unberechtigten Forderung in Höhe von noch 263.284,65 € stelle in einer angespannten Lage angesichts der gegenwärtigen Corona-Pandemie eine unbillige Härte dar, die nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gerechtfertigt sei.
Das Sozialgericht Frankfurt (Oder) hat mit Beschluss vom 11. Januar 2021 festgestellt, die Klage der Antragstellerin vom 3. Dezember 2020 gegen den Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 16. November 2020 habe aufschiebende Wirkung, soweit sie sich gegen die Feststellung einer abhängigen Beschäftigung der von dem Bescheid erfassten Auftragnehmer richte. Es hat sodann die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 3. Dezember 2020 gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. November 2020 angeordnet, soweit sich der Widerspruch gegen die Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht und die Erhebung von Umlagen richte. Schließlich hat es der Antragsgegner...