Leitsatz (amtlich)
Eine im Ausland gültig geschlossene Ehe durch Stellvertreter (Handschuhehe) ist in Deutschland grundsätzlich wirksam.
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 30. Juli 2007 wird geändert.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragstellern zu 2) und 3) vorläufig für September 2007 Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld nebst Kosten der Unterkunft, soweit letztere noch nicht dem Antragsteller zu 1) gewährt wurde, nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften und den nachfolgenden Ausführungen zu erbringen. Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und die Beschwerde insoweit werden im Übrigen zurückgewiesen.
Soweit beantragt wurde, Mietschulden als Darlehen zu übernehmen, wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat den Antragsstellern die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des gesamten Eilverfahrens zu erstatten.
Gründe
1. Die Beschwerde, der das Sozialgericht (SG) nicht abgeholfen hat, ist zulässig.
Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung fehlt jedenfalls bis jetzt nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Es ist zwar auch in Eilfällen nicht Aufgabe des Gerichts, an die Stelle der Behörde zu treten. Ein Eilantrag vor Gericht setzt grundsätzlich eine vorherige Befassung der Behörde voraus. Den Antragstellern ist aber zuzugeben, dass nach Aktenlage der Antragsgegner der Auffassung ist, den Antragstellern zu 2 ) und 3) stünden keine Leistungen zu, so dass ein Antrag auf eine vorläufige Gewährung, einen Vorschuss oder ähnliches keinen Sinn macht. Ganz allgemein gilt, dass ausnahmsweise ein Rechtsschutzbedürfnis für eine einstweilige Anordnung vorliegt, auch wenn vorher bei der Behörde kein Antrag auf die Leistung gestellt worden ist, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden muss, dass die zuständige Behörde einen entsprechenden förmlichen Antrag nicht positiv bescheiden würde (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage, § 86 b, Rdnr. 26 b).
Es ist den Antragstellern aber zuzumuten, für die Zeit ab Oktober zunächst förmlich Leistungen zu beantragen.
Die Antragsteller begehren im Wege der zulässigen Antragshäufung (§ 56 Sozialgerichtsgesetz [SGG] entspr.) zum einen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und dabei primär die (inzidente) Feststellung grundsätzlicher Leistungsberechtigung der Antragsteller zu 2) und 3). Insoweit ist die Beschwerde teilweise begründet.
Zum anderen soll der Antragsgegner darlehensweise Mietschulden übernehmen. Dies hat das SG zutreffend abgelehnt:
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierbei dürfen Entscheidungen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (ständige Rechtsprechung des Senats, siehe auch Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 596/05 -).
Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz stellt insbesondere dann besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens, wenn das einstweilige Verfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht, wie dies im Streit um laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose regelmäßig der Fall ist.
2. Ob den Antragstellern zu 2) und 3) tatsächlich Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB II) zustehen, kann hier nicht ermittelt werden. Es spricht aber so viel dafür, dass eine Leistungsversagung nach Maßgabe des Tenors unzumutbar wäre:
Noch nicht klar ist hier zwar bereits, ob die Antragsteller ihren nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II erforderlichen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Daran bestehen Zweifel, weil sich die Antragsteller das ihnen mutmaßlich als Unionsbürgern zustehende Aufenthaltsrecht bislang nicht haben bescheinigen lassen. Der neue Reisepass der Antragstellerin zu 2) ist jedenfalls nicht von der Botschaft in Berlin ausgestellt worden, obwohl die Antragstellerin angibt, dort bereits seit März 2005 zu wohnen, sondern im November 2006 in R. Auch die nach Aktenlage für die Familie zu kleine Wohnung könnte darauf hindeuten, dass sich diese nicht allzu oft dort zu dritt aufhält.
Auch die Einkommensverhältnisse sind noch nicht abschließend geklärt. Nur für die vorläufige Verpflichtung...