Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgung eines an insulinpflichtigem Diabetes mellitus leidenden Versicherten mit einem Gerät zur kontinuierlichen Glukosemessung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Hilfsmittel. Sicherung des Erfolgs der ärztlichen Behandlung. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Hypoglykämie. Folgenabwägung
Orientierungssatz
1. Im summarischen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kann nicht abschließend geklärt werden, ob ein Gerät zur kontinuierlichen Glukosemessung bei einem an insulinpflichtigem Diabetes mellitus leidenden Versicherten eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode i. S. von § 135 SGB 5 darstellt.
2. Für den Einsatz von Hilfsmitteln ist bisher nur entschieden, dass ein Hilfsmittel nicht in das GKV-Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen werden kann, wenn die zugrunde liegende Behandlungsmethode ohne positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses in der ambulanten Versorgung nicht angewendet werden darf und eine solche nicht vorliegt.
3. Ob auch bei Hilfsmitteln, die zwar zur Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung bzw. der Vorbeugung einer drohenden Behinderung dienen, nicht aber im Rahmen einer vertragsärztlichen Behandlung eingesetzt werden, eine positive Empfehlung i. S. von § 135 SGB 5 zwingend vorliegen muss, ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden und muss im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes offen bleiben.
4. Die im Eilrechtsschutz bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens gebotene Folgenabwägung führt zu einer Stattgabe des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Wird dem Antragsteller die begehrte Versorgung versagt, so erlebt er womöglich den Erfolg seine Klage in der Hauptsache nicht mehr. Stellt sich hingegen der ablehnende Bescheid als rechtmäßig heraus, so kann die Krankenkasse die für die einstweilige Versorgung aufgewendeten Mittel zurückfordern.
Normenkette
SGB V § 33 Abs. 1 S. 1, § 135 Abs. 1; SGG § 86b Abs. 2
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 7. August 2013 wird aufgehoben.
Die Antragsgegnerin wird einstweilen bis zur Rechtskraft der Klage SG Cottbus S 18 KR 37/13, längstens jedoch bis 31. Dezember 2014 verpflichtet, den Antragsteller mit dem Glukosemesssystem M einschließlich erforderlicher Sensoren () zu versorgen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat die dem Antragsteller entstandenen Kosten für das gesamte Verfahren zu erstatten.
Gründe
Der Senat verweist zum Sachverhalt auf den genannten Beschluss (§ 142 Abs. 2 S. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die zulässige Beschwerde vom 2. September 2013 mit dem Sachbegehren, den Antragsteller mit dem oben tenorierten Gerät “nebst Zubehör„ zu versorgen, hat im Wesentlichen Erfolg.
Gemäß § 86 b Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Hierfür sind grundsätzlich das Bestehen eines Anordnungsanspruches und das Vorliegen eines Anordnungsgrundes erforderlich.
Der Anordnungsanspruch bezieht sich dabei auf den geltend gemachten materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtschutz begehrt wird, die erforderliche Dringlichkeit betrifft den Anordnungsgrund. Die Tatsachen, die den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch begründen sollen, sind darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung).
Entscheidungen dürfen dabei grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (ständige Rechtsprechung des Senats, siehe auch Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 596/05 -).
Hier ist nur eine Folgenabwägung möglich:
Ob dem Antragsteller ein Anspruch in der Hauptsache nach § 33 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zusteht, ist unklar. Die Erfolgschancen im Hauptsacheverfahren sind offen.
Der an insulinpflichtigem Diabetes mellitus leidende Antragsteller begehrt die Versorgung mit einem Medizinprodukt, konkret einem Gerät zur kontinuierlichen Glukosemessung. Der Glukosegehalt wird dabei durch einen Sensor in der interstitiellen Flüssigkeit des Unterhautfettgewebes gemessen.
Ein Anspruch auf ein Hilfsmittel besteht nach § 33 SGB V, wenn es erforderlich ist, um entweder nach § 33 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative SGB V den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern,...