Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtschutz. Auskunftsverlangen. Zwangsgeldandrohung. eheähnliche Gemeinschaft. Bedarfsgemeinschaft. Anordnung der sofortigen Vollziehung im Interesse des Leistungsempfängers. Anordnung der aufschiebenden Wirkung. inhaltliche Anforderungen an Auskunftsverlangen. Rechtmäßigkeit der Vollzugsanordnung eines Bescheides, mit dem der Bewohner einer vermeintlichen Bedarfsgemeinschaft unter Zwangsgeldandrohung zur Auskunftserteilung über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse aufgefordert wurde. Hausbesuch. Außendienst. Sofortvollzug einer Auskunftsverpflichtung. Begründungserfordernis bei Anordnung des Sofortvollzugs. Warnfunktion der Begründung
Leitsatz (redaktionell)
Eine § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO vergleichbare Regelungen, wonach die Länder bestimmen können, dass Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden, existiert für den Bereich der Sozialgerichtsbarkeit nicht. Bei einem Widerspruch gegen eine Zwangsgeldandrohung im Verfahren nach SGB X bzw. SGG entfällt daher die aufschiebende Wirkung nicht.
Eine Auskunftsverpflichtung zur Überprüfung der Bedürftigkeit darf nur Angaben erfassen, die zur Überprüfung der Bedürftigkeit, mithin zur Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse, notwendig sind. Folgende Unterlagen können allein zur Überprüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse (anders jedoch bei der erstmaligen Antragstellung) nicht gefordert werden: der Personalausweis, die Mitgliedsbestätigung einer gesetzlichen Krankenkasse, der Sozialversicherungsausweis, die aktuelle Haushaltsbescheinigung, der letzte Bewilligungsbescheid vom Arbeitslosengeld, die Kundennummer der Agentur für Arbeit, der Arbeitsvertrag.
Orientierungssatz
Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung haben im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit aufschiebende Wirkung.
Fehlt es an einer ausreichenden Begründung der Vollzugsanordnung, so bedarf es keiner Prüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheides mehr.
Die Begründung der Vollzugsanordnung muss die konkrete, schlüssige und substantiierte Darlegung des besonderen Interesses an der Anordnung der sofortigen Vollziehung aus Sicht der Behörde enthalten und hat insofern eine Warnfunktion. Daneben dient sie dem Rechtsschutz des Bürgers.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines an den vermeintlichen Partner einer Bedarfsgemeinschaft gerichteten Bescheides über die Erteilung einer Auskunft über seine Einkommens- oder Vermögensverhältnisse kann nicht auf ein überwiegendes Interesse des Leistungsempfängers gestützt werden.
Das erforderliche Vollzugsinteresse kann in Fällen der erforderlichen Auskunftserteilung allein bei der öffentlichen Hand gesucht werden, welches die rechtmäßige und zügige Leistungsgewährung zu verantworten hat. Der Gesetzgeber hat die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen ein Auskunftsersuchen dagegen als den Regelfall angesehen.
Normenkette
SGG § 86b Abs. 1 Nrn. 2, 5, 4, § 86a Abs. 1; SGB II §§ 39, 38, 60 Abs. 4 Nr 1, § 9 Abs. 2 S 1, § 6a; VwVGBbg § 39; VwGO § 80 Abs. 2 S. 2; SGB X § 66 Abs. 3, § 12 Abs 1 Nr 1; GG Art. 74 Abs. 1 Nr. 1
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 21. Oktober 2007 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 17. Oktober 2007 wird angeordnet.
Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller (Ast) wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtschutzverfahrens gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides des Antragsgegners (Ag) - eines zugelassenen kommunalen Trägers nach § 6a Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) - vom 17. Oktober 2007, mit dem er unter Zwangsgeldandrohung zur Auskunftserteilung über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse nach dem SGB II aufgefordert wurde.
Der Ast bewohnt seit 01. Juli 2006 zusammen mit M B (MB) und deren minderjährigen Sohn S B (SB) eine Doppelhaushälfte in der Astraße in V. Den Mietvertrag vom 12. Mai 2006 haben beide gemeinsam unterzeichnet. Er arbeitet als Lokführer bei der R AG mit wechselnden Einsatzorten. Außerdem betreibt er von V aus einen Onlineshop für Unterwäsche.
Die beiden Mitbewohner des Ast - MB und SB - beziehen seit Januar 2005 vom Ag laufend Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II. MB und SB hatten bis Ende Juni 2006 eine 2-Zimmer-Wohnung in V bewohnt. In dem Folgeantrag vom 12. Juni 2006 im Zusammenhang mit ihrem Umzug in die Astraße gab MB an, keine eheähnliche Gemeinschaft mit dem Ast begründen zu wollen, sie lebe in einer Wohngemeinschaft mit dem Ast. Es bestehe eine Mietzahlungsvereinbarung mit dem Ast, wonach sie 410,00 Euro an ihn zahle, da die Gesamtmiete von dessen Konto abgebucht werde.
Mit Bescheid vom 18. Juni 2007 bewilligte der Ag der Bedarfsgemeinschaft bestehend aus MB und SB Leistungen nach dem SGB II für die Monate Juli bis Oktober 2007 iHv insgesamt 806,98...