Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Kosten der Einzugsrenovierung. verfassungskonforme Auslegung
Orientierungssatz
1. Die aus Anlass des Einzugs in eine neue Wohnung anfallenden Renovierungskosten sind als Bestandteil der Kosten für die Unterkunft nach § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 vom Grundsicherungsträger zu übernehmen, soweit diese angemessen sind. Dies gilt auch dann, wenn mietvertraglich eine Einzugsrenovierung nicht vereinbart wurde.
2. Dies gilt insbesondere dann, wenn zur Bedarfsgemeinschaft des Hilfebedürftigen Kinder gehören. Die Bewohnbarkeit der Wohnung ist unabdingbare Voraussetzung der Nutzung. Der Schutz der Familie nach Art 6 GG steht unter dem besonderen Schutz der verfassungsrechtlichen Ordnung.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 20. Dezember 2017 geändert.
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern Kosten der Einzugsrenovierung für die im Rubrum bezeichnete Unterkunft in Höhe von 600,- € zu gewähren.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller im gesamten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren und das Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtschutzes unter Beiordnung ihrer Bevollmächtigten bewilligt.
Gründe
Die Beschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Den Antragstellern steht im Ergebnis einer hier verfassungsrechtlich gebotenen Folgenabwägung ein durch eine vorläufige Regelungsanordnung iSv § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu sichernder Anordnungsanspruch auf Übernahme von Renovierungskosten im ausgeworfenen Umfang zu.
Aus Anlass des Einzugs in eine neue Wohnung anfallende Renovierungskosten sind, soweit diese “angemessen„ sind, als Bestandteil der Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) zu übernehmen. Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - mietvertraglich eine Einzugsrenovierung nicht vereinbart worden ist. Die Angemessenheit der Einzugsrenovierungskosten, die grundsätzlich unabhängig von der Angemessenheit der Unterkunft selbst gegeben sein muss, ist in drei Schritten zu prüfen (vgl insoweit Bundessozialgericht ≪BSG≫, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 49/07 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 16). Zunächst ist festzustellen, ob die Einzugsrenovierung im konkreten Fall erforderlich war, um die "Bewohnbarkeit" der Unterkunft herzustellen. Alsdann ist zu ermitteln, ob eine Einzugsrenovierung ortsüblich ist, weil keine renovierten Wohnungen in nennenswertem Umfang zur Verfügung stehen. Zuletzt gilt es zu klären, ob die Renovierungskosten der Höhe nach im konkreten Fall zur Herstellung des Standards einer Wohnung im unteren Wohnungssegment erforderlich waren (vgl BSG aaO). Ob die Einzugsrenovierung zur Herstellung der "Bewohnbarkeit" der Wohnung erforderlich ist, richtet sich einerseits nach objektiven Kriterien, andererseits aber auch danach, ob die Kosten aus der vertretbaren Sicht des Hilfebedürftigen zu übernehmen waren. Insoweit hat eine Orientierung am "Ausstattungsstandard" im unteren Wohnungssegment zu erfolgen. Es ist mithin von einem lediglich einfachen "Ausstattungsgrad" auszugehen. Hierzu gehört auch im unteren Wohnungssegment eine Ausstattung der Wohnung mit einem einfachen Wand- und Fußbodenoberbelag. Wird eine Wohnung ohne derartige Ausstattungsmerkmale übergeben, ist die Einzugsrenovierung im Regelfall als zur Herstellung dieser Ausstattung objektiv erforderlich anzusehen (vgl BSG aaO). Letzteres ist vorliegend in Ansehung des fotografisch dokumentierten Zustands der Wohnung, die nicht mit einem Fußbodenbelag nebst Scheuerleisten ausgestattet ist, der Fall.
Wie auch für die Erforderlichkeit ist im Hinblick auf die Ortsüblichkeit der Einzugsrenovierung Maßstab das untere Wohnungssegment. Die Ortsüblichkeit ist im räumlichen Vergleich der Vergleichsmiete zu ermitteln. Es ist also zu ermitteln, ob es im räumlichen Vergleichsbereich der Üblichkeit entspricht, dass Wohnungen im unteren Wohnungssegment in unrenoviertem Zustand übergeben werden. Hieran fehlt es, wenn in nennenswertem Umfang renovierte Wohnungen vorhanden sind. Ist das der Fall, ist der Hilfebedürftige auf eine renovierte und auch ansonsten angemessene Wohnung zu verweisen. Diesbezüglich sind indes keine abschließenden Ermittlungen durch den Antragsgegner - und auch nicht durch das Sozialgericht - erfolgt, zumal hier in Rechnung zu stellen ist, dass aufgrund der Vorgeschichte der Antragsteller (mehrjährige Strafhaft) und der perspektivisch in Aussicht genommenen Aufnahme der Kinder, die derzeit von anderen Sozialleistungsträgern in entsprechenden Einrichtungen betreut werden, das tatsächlich konkret in Betracht kommende Marktsegment deutlich eingeschränkt sein dürfte; eine bloße Internetabfrage zu allgemein ...