Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Unionsbürger. Schlussanträge des Generalanwalts in der Sache Alimanovic
Leitsatz (amtlich)
Voraussetzungen des Leistungsausschlusses für Personen mit einer Ausübung einer Beschäftigung von mehr als 3 Monaten, aber weniger als 1 Jahr nach den Schlussanträgen des Generalanwalts beim EuGH vom März 2015.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 11. Mai 2015 aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 28. Mai 2015 wird zurückgewiesen.
Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht Berlin - Brandenburg Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwältin A L, W, B, beigeordnet.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der am 31. Mai 1991 geborene Antragsteller ist lettischer Staatsbürger. Vom 9. August 2014 bis 21. September 2014 war der Antragsteller als Spüler im Restaurant S in B F beschäftigt. Für die Monate Februar 2015 und März 2015 erhielt er von dem Jobcenter B S-Zmit Bescheid vom 18. März 2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 320 € (Februar 2050) sowie 279,30 € (März 2015).
Am 6. März 2015 beantragte der Antragsteller bei dem Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 27. März 2015 lehnte der Antragsgegner den Antrag unter Hinweis auf den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II ab; außerdem verwies er zusätzlich auf den Bewilligungsbescheid des Jobcenters B S-Z vom 18. März 2015. Gegen den Bescheid vom 27. März 2015 erhob der Antragsteller mit Schriftsatz vom 23. April 2015 Widerspruch.
Am 27. April 2015 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Berlin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Leistungsbewilligung für die Zeit vom 1. Mai 2015 bis zum 31. August 2015 in Höhe von 799 € monatlich und für April 2015 in Höhe von 106,53 € beantragt. Er sei bereits befristet vom 9. August 2014 bis zum 21. September 2014 bei dem Restaurant S zu einem Bruttolohn von 7 Euro angestellt gewesen. Er sei derzeit auf Arbeitssuche und wähle bei den potentiellen Arbeitgebern vornehmlich Gastronomiebetriebe aus. Dabei gehe er derart vor, dass er bei den potentiellen Arbeitgebern seinen Lebenslauf einreiche. Der Antragsschrift beigefügt gewesen ist die Kopie eines Lebenslaufes, auf der handschriftlich eine E-Mail Adresse unter dem Namen des Antragstellers mit der Angabe einer Mobilfunktelefonnummer sowie ein von dem auf dem Pass des Antragstellers enthaltenen Geburtsdatum ( 1991) abweichendes Geburtsdatum ( 1992) enthalten gewesen ist.
Mit Schriftsatz vom 30. April 2015 hat die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers ausgeführt, die Bewerbungsbemühungen des Antragstellers hätten Erfolg gehabt, er habe nunmehr eine geringfügige Beschäftigung gefunden. Beigefügt war die Kopie eines Schreibens der R E& Partner GbR - Restaurant W, in dem ausgeführt worden ist:
“… Herr H J wird ab dem 1.5.2015 einen Job als geringfügig Beschäftigt (MINI-JOB) nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV im Restaurant W beginnen.„
Mit Beschluss vom 11. Mai 2015 hat das Sozialgericht Berlin den Antragsgegner zur vorläufigen Leistungsgewährung für den Zeitraum vom 27. April 2015 bis 30. April 2015 in Höhe von 66,55 € und für die Zeit vom 1. Mai 2015 bis 31. August 2015 in Höhe von 499,15 € monatlich verpflichtet. Im Übrigen hat es den Antrag des Antragstellers zurückgewiesen. Der Antragsteller habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt seit Juli 2014 in der Bundesrepublik Deutschland. Zur Überzeugung der Kammer sei er auch nicht nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Der Antragsteller habe in ausreichendem Maße glaubhaft gemacht, dass er seit dem 1. Mai 2015 einer abhängigen Beschäftigung nachgehe und demnach sein Aufenthaltsrecht auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 FreizügG/EU stütze. Abgesehen davon sei die Kammer ohnehin der Auffassung, dass dem Antragsteller auch dann im Rahmen einer Folgenabwägung Leistungen zuzusprechen wären, wenn er sich allein zur Arbeitssuche in Deutschland aufhielte. Insofern verweise die Kammer auf den Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 11. März 2013 zum Aktenzeichen L 31 AS 318/13 B ER.
Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2015 hat der Antragsteller beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 11. Mai 2005 abzuändern und den Antragsgegner zu verpflichten, für die Monate Juni 2015 bis August 2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne Anrechnung von Einkommen aus abhängiger Beschäftigung sowie für ...