Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf. unabweisbarer laufender besonderer Bedarf. keine Übernahme des Eigenanteils zur zahnprothetischen Versorgung
Orientierungssatz
1. Nach dem Grundsatz der Nachrangigkeit von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB 2 in §§ 2 Abs 1, 9 Abs 1 SGB 2 sind Kosten für Krankenbehandlungen grundsätzlich nicht vom Grundsicherungsträger zu übernehmen.
2. Eine entsprechende Anspruchsgrundlage, wie hier zB für die Übernahme eines Eigenanteils zur zahnprothetischen Versorgung, existiert im SGB 2 nicht (vgl BSG vom 19.8.2010 - B 14 AS 13/10 R = SozR 4-3500 § 73 Nr 3).
3. Die Unabweisbarkeit eines gesundheitsbedingten Mehrbedarfs im Rahmen der laufenden Bewilligung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs 6 SGB 2 kommt nur dann in Betracht, wenn das SGB 5 im konkreten Fall einen Leistungsausschluss für die medizinisch notwendige Versorgung vorsieht (vgl BSG vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R = BSGE 115, 77 = SozR 4-4200 § 21 Nr 16). Dies gilt jedoch nur in eng begrenzten Ausnahmefällen. Die Kosten einer Krankenbehandlung bei gesetzlich krankenversicherten Leistungsberechtigten nach dem SGB 2 sind entweder durch das System des SGB 5 oder (ergänzend) durch den Regelbedarf nach § 20 Abs 1 SGB 2 abgedeckt (vgl BSG vom 26.5.2011 - B 14 AS 146/10 R = BSGE 108, 235 = SozR 4-4200 § 20 Nr 13).
4. Erfolgt der Ausfall der (vollständigen) Bedarfsdeckung durch die gesetzliche Krankenversicherung aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung des Versicherten zur Zuzahlung oder vorläufigen/endgültigen Tragung eines Eigenanteils, sieht § 62 SGB 5 für Bezieher von Arbeitslosengeld II eine Zuzahlung bis zur Belastungsgrenze vor und § 28 Abs 2 SGB 5 fordert den Eigenanteil als Vorleistung des Versicherten bei Behandlung, die über den in § 28 Abs 2 S 1 SGB 5 normierten notwendigen Umfang hinausgehen. Hier liegt kein Fall von Aufwendungen für eine medizinisch notwendige Behandlung vor, die aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen ist, was Grundlage für einen Mehrbedarfsanspruch nach § 21 Abs 6 SGB 2 sein könnte.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 18. Mai 2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Gründe
Die Beschwerde, mit der der Antragsteller sein erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt, den Antragsgegner im Wege einer gerichtlichen Regelungsanordnung iSv § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einstweilen zu verpflichten, die Kosten eines bei einer zahnprothetischen Versorgung zu tragenden Eigenanteils iHv 834,27 € zu übernehmen, ist nicht begründet. Ein entsprechender Anordnungsanspruch ist nicht ersichtlich.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch darauf, dass der Antragsgegner den Eigenanteil der Kosten für die zahnprothetische Versorgung als Zuschuss - eine Darlehensgewährung gemäß § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) macht der Antragsteller nicht geltend - übernimmt. Der Antragsteller muss sich auf die von der gesetzlichen Krankenversicherung bereits zugesagte Behandlung nach den Vorgaben der Regelversorgung verweisen lassen. Es ist nicht Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende, den für alle gesetzlich Versicherten geltenden Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung zu Gunsten von Arbeitslosengeld-II-Empfängern zu erweitern.
Bereits aus dem Grundsatz der Nachrangigkeit von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 1 SGB II) ergibt sich, dass Krankenbehandlungen grundsätzlich nicht vom SGB-II-Leistungsträger zu übernehmen sind. Zwar ist die Absicherung gegen Krankheit und Pflegebedürftigkeit Teil der verfassungsrechtlichen Garantie des Existenzminimums (vgl Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1, 3, 4/09 - juris). Dies wird jedoch nach der gesetzlichen Konzeption dadurch sichergestellt, dass Leistungsberechtigte - wie der Antragsteller - gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB) V in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung einbezogen sind und die Beiträge hierfür vom Jobcenter übernommen werden. Die Krankenkassen müssen nach § 27 SGB V notwendige Krankenbehandlungen ihrer Versicherten übernehmen. Der Anspruch umfasst die ärztliche und zahnärztliche Behandlung, die Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen, Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, häusliche Krankenpflege und Haushaltshilfe, Krankenhausbehandlung und Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie ergänzende Leistungen (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 SGB V). Es müssen die zweckmäßigen, wirtschaftlichen und medizinisch notwendigen Maßnahmen bezahlt werden. Soweit die Versicherten Zuzahlungen zu leisten haben, gilt dies nur bis zu...