Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsprüfung. Arbeitnehmerüberlassung. Equal pay. fehlende Tariffähigkeit der CGZP. BAG-Rechtsprechung. Rechtmäßigkeit der Beitragsnachforderung der DRV Bund. Verjährung. Vertrauensschutz. Schätzung des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts. Falsche Lohnaufzeichnungen. Bedingter Vorsatz. Anordnung der aufschiebenden Wirkung
Leitsatz (amtlich)
Die von der DRV-Bund im Anschluss an die BAG-Rechtsprechung (vgl BAG vom 14.12.2010 - 1 ABR 19/10 = BAGE 136, 302) zur Tarifunfähigkeit der CGZP erhobenen Beitragsnachzahlungen sind nicht offensichtlich rechtswidrig.
Normenkette
SGB IV § 25 Abs. 1, § 28f Abs. 2; SGG § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. April 2014 geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 10. Februar 2014 wird angeordnet, soweit er sich gegen die Beitragsnachforderung für den Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis 31. Dezember 2006 richtet. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes hat die Antragsgegnerin zu ¼ und die Antragstellerin zu ¾ zu tragen.
Der Streitwert des Verfahrens wird auf 345.489,58 € festgesetzt.
Gründe
I.
Streitig ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des von der Antragstellerin gegen eine von der Antragsgegnerin festgestellte Beitragsnachforderung eingelegten Widerspruchs.
Die Antragstellerin betreibt Arbeitnehmerüberlassung. In den Jahren 2005 bis 2009 entlohnte sie ihre Arbeitnehmer auf der Grundlage der von der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (GCZP) geschlossenen Tarifverträge.
Im Anschluss an eine vom 12. September 2013 bis zum 2. Dezember 2013 durchgeführte Betriebsprüfung forderte die Antragsgegnerin durch Bescheid vom 10. Februar 2014 Beiträge für den Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis 31. Dezember 2009 in Höhe von 690.979,16 € nach. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) habe die Tarifunfähigkeit der CGZP festgestellt. Daraus folge die Unwirksamkeit der von dieser Tarifgemeinschaft abgeschlossenen Tarifverträge, welche nach dem im Gesetz zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (AÜG) verankertem Equal-Pay-Grundsatz zu höheren Lohn- und damit auch Beitragsansprüchen führe.
Die Antragstellerin legte Widerspruch ein und hat am 18. März 2014 beim Sozialgericht Berlin die Aussetzung der Vollziehung beantragt. Das Sozialgericht hat durch Beschluss vom 17. April 2014 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs abgelehnt. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides bestünden. Die Erfolgsaussichten des Widerspruchsverfahrens seien offen, weswegen es bei der vom Gesetzgeber vorgegebenen Risikoverteilung bleiben müsse. Bei summarischer Prüfung bestünden keine Bedenken gegen die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in festgesetzter Höhe. Die im Wege der Schätzung ermittelte Forderung ergebe sich aus dem Equal-Pay-Grundsatz. Die durch das BAG festgestellte Tarifunfähigkeit der CGZP habe die Unwirksamkeit des Tarifvertrags zur Folge gehabt. Zumindest seit dem Zeitpunkt der Entscheidung des BAG hätten die Arbeitnehmer, deren Beschäftigungsverhältnis auf einen mit der CGZP geschlossenen Tarifvertrag begründet wurde, nach den §§ 9 Nr. 2, 10 Abs. 4 AÜG einen höheren Entgeltanspruch gehabt, auf den entsprechend auch Sozialversicherungsbeiträge nachgefordert werden könnten. Auch wenn die Frage der Unwirksamkeit der Tarifverträge für die Vergangenheit noch nicht höchstrichterlich geklärt sei, sprächen die überwiegenden Argumente für eine Rückwirkung. Viel spräche dafür, dass die vom BAG für erheblich gehaltenen Umstände bereits von Beginn der Tätigkeit der CGZP vorgelegen hätten. Das gelte insbesondere insoweit, als die fehlende Tariffähigkeit der CGZP auf Satzungsmängeln beruhe. Zudem habe das BAG mittlerweile einen Beschluss des LAG Berlin-Brandenburg bestätigt, wonach die CGZP auch am 29. November 2004, 19. Juni 2006 und 9. Juli 2008 nicht tariffähig gewesen sei. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides ergäben sich auch nicht aus den von der Antragstellerin geltend gemachten Vertrauensschutzgesichtspunkten. Das Sozialgericht Würzburg habe zutreffend entschieden, dass der gute Glaube an die Tariffähigkeit einer Vereinigung nicht geschützt werde. Wer den Tarifvertrag der CGZP unter Ausnutzung der Möglichkeit des § 10 Abs. 4 AÜG einbezogen habe, sei bewusst ein Risiko eingegangen, da die von der CGZP abgeschlossenen Tarifverträge von Anfang an nicht unumstritten gewesen seien. Auch aus dem Gesichtspunkt des Rückwirkungsverbotes könne die Antragstellerin nichts herleiten. Das BAG habe sich erstmals mit den Voraussetzungen der Tariffähigkeit und Tarifzuständigkeit einer gewerkschaftlichen Spitzenorganisation befasst und sei schon von daher nicht von seiner bisherigen höchstrichterlichen Rechts...