Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für einen rumänischen Staatsbürger durch einstweiligen Rechtsschutz
Orientierungssatz
1. Voraussetzung für die Bewilligung von Leistungen des SGB 2 ist u. a. , dass der Hilfebedürftige seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat.
2. Bei Ausländern kann ein gewöhnlicher Aufenthalt nur dort begründet werden, wo sich jemand rechtmäßig aufhält.
3. Für rumänische Staatsangehörige ist die Freizügigkeit eingeschränkt. Übt dieser eine selbständige Tätigkeit nicht aus, so könnte sich ein Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergeben. Ist dies im Eilrechtsschutz nicht abschließend zu klären, so ist ihm durch einstweiligen Rechtsschutz im Falle seiner Hilfebedürftigkeit Arbeitslosengeld 2 zu gewähren.
4. Dieser Anspruch ist auf das Notwendige zu beschränken. Die auf 85 % zu kürzende Regelleistung ist damit auf ein halbes Jahr seit Beschlussfassung zu begrenzen.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 3. Mai 2010 geändert.
Der Antragsgegner wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig vom 1. Dezember 2010 bis zum 31. Mai 2011 (längstens jedoch bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (einschließlich der Leistungen für Unterkunft und Heizung) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu zahlen, wobei bei der Ermittlung der von der Bundesagentur für Arbeit zu erbringenden Leistungen für die Antragsteller zu 1), 2), 3) und 4) nur eine Regelleistung in Höhe von jeweils 85% zu berücksichtigen ist. Die mit Beschlüssen vom 22. Juli 2010 und 14. Oktober 2010 vorläufig bewilligten Leistungen bleiben unberührt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat den Antragstellern die Kosten des gesamten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Der 1969 geborene Antragsteller zu 1) und die am 1970 geborene Antragstellerin zu 2) sind die Eltern der zwischen 1990 und 2004 geborenen Antragsteller zu 3) bis 9), von denen die Antragstellerin zu 3) und der Antragsteller zu 4) volljährig sind. Weiter sind der Antragsteller zu 1) und die Antragstellerin zu 2) die Eltern der im Jahr 2009 in der Bundesrepublik Deutschland geborenen E, die jedoch nicht Antragstellerin in diesem Verfahren ist. Sämtliche Antragsteller sind rumänische Staatsangehörige und halten sich in Deutschland seit dem 10. Juni 2009 auf.
Am 24. August 2009 stellten die Antragsteller bei dem Antragsgegner einen Antrag auf Bewilligung von Leistungen zum Lebensunterhalt. Darin gaben sie an, dass der Antragsteller zu 1) eine selbständige Tätigkeit ausübe. Da er Kleinunternehmer und noch nicht sehr bekannt sei, seien die Aufträge jedoch noch gering. Das Monatseinkommen betrage 850,00 bis 900,00 €. Sie legten jeweils Bescheinigungen gemäß § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU, ausgestellt jeweils am 8. Juli 2009 von dem Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten - Ausländerbehörde - Berlin vor. Danach ist der Inhaber dieser Bescheinigung Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union und nach Maßgabe des Freizügigkeitsgesetzes/EU zur Einreise und zum Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt. Der Inhaber benötigt zur Aufnahme einer unselbständigen, arbeitsgenehmigungspflichtigen Erwerbstätigkeit eine Arbeitserlaubnis- oder Arbeitsberechtigung - EU.
Die Antragsteller zu 1) bis 9) wohnen in einer Dreizimmerwohnung von 87 m² und einer Grundmiete in Höhe von 369,92 € zuzüglich Heizkosten in Höhe von 90,52 € und Betriebskosten in Höhe von 143,62 €.
Der Antragsteller zu 1) legte weiter eine Gewerbeanmeldung vor, wonach er für die Tätigkeiten Gastronomie-Hilfe, Hausreinigung, Werbung (Gebäudereinigung) und bis 3,9 Tonnen-Kleintransporter angemeldet war.
Der Antragsgegner ließ durch seinen Prüfdienst am 20. Oktober 2009 eine Prüfung ohne vorherige Anmeldung vornehmen. Dabei kam der Prüfdienst zu dem Ergebnis, dass zehn Personen in der Wohnung lebten. Betten in diesem Sinne seien nicht vorhanden, nur Matratzen und alte durchgelegene Sofas; sonstige Möbel seien nicht vorhanden.
Mit Bescheid vom 30. Oktober 2009 lehnte der Antragsgegner die Bewilligung von Leistungen wegen mangelnder Mitwirkung gemäß § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) mit der Begründung ab, die mit Schreiben vom 13. Oktober 2009 angeforderten Unterlagen (Benennung aller Auftraggeber mit Namen und Anschrift, Nachweise zu allen Einnahmen seit Juni 2009, Kontoauszüge von Juli 2009 bis zum jetzigen Zeitpunkt, Beantwortung der Frage, ob ein Geschäftskonto bestünde und der Frage wer R, sei, sei nicht beantwortet worden.
Mit Eingang beim Antragsgegner am 21. Januar 2010 teilte der Antragsteller zu 1) als Reaktion auf den Schriftsatz vom 13. Oktober 2009 mit, dass er die Einkommensnachweise vo...