Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Zulässigkeit einer Beschwerde gegen die Ablehnung eines PKH-Antrags. Anforderungen an die Annahme einer hinreichenden Erfolgsaussicht
Orientierungssatz
1. Eine die Bewilligung von Prozesskostenhilfe rechtfertigende hinreichende Erfolgsaussicht einer Klage im sozialgerichtlichen Verfahren ist schon dann anzunehmen, wenn die der Klage zugrundeliegende streitige Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich entschieden und dabei die vom Antragsteller vertretene Rechtsauffassung nicht als unvertretbar anzusehen ist.
2. Jedenfalls bei Prozesskostenhilfeverfahren, in denen vor der zum 25. Oktober 2013 erfolgten Novellierung des § 172 SGG ein erstinstanzlicher Ablehnungsbeschluss erging, ist eine Beschwerde auch dann zulässig, wenn die Ablehnung des Antrags aus inhaltlichen Gründen erfolgte und eine Berufung in der Hauptsache nicht zulässig wäre.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 14. Mai 2013 geändert.
Dem Antragsteller wird für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht für die Zeit ab dem 26. März 2013 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung oder Beiträge aus dem Vermögen bewilligt und Rechtsanwalt S E beigeordnet.
Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Prozesskostenhilfe für ein Verfahren, in welchem der Antragsteller den Bescheid der Beklagten vom 28. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 2010 hinsichtlich der Aufhebung und Erstattung von Leistungen der Grundsicherung für den Zeitraum vom 19. September 2008 bis 31. März 2009 insbesondere im Hinblick auf die von ihm gerügte Ungleichbehandlung nach § 40 Abs 2 SGB II a.F. bei nur teilweiser Leistungsaufhebung angefochten hat. Am 26. März 2013 hat der Antragsteller Gewährung von Prozesskostenhilfe (erneut) beantragt und die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt.
Das Sozialgericht Berlin hat den Antrag auf Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 14. Mai 2013 abgelehnt und dies damit begründet, dass das Gericht an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 40 Abs 2 SGB II aF (Abs 4 n.F.) keine Zweifel hege. Wegen der weiteren Umstände des Sachverhalts und der Gründe der angefochtenen Entscheidung wird entsprechend §§ 153 Abs 1, 136 Abs 2 SGG auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses vom 14. Mai 2013 Bezug genommen.
Der Antragsteller verfolgt sein Begehren mit seiner Beschwerde vom 6. Juni 2013 weiter. Hätte die Beklagte die Bewilligung vollständig aufgehoben, hätte der Antragsteller wegen der Regelung des § 40 Abs 2 SGB II a.F. nur eine geringere Erstattungsforderung zu erfüllen. Zur Frage der Anwendbarkeit des § 40 Abs 2 SGB II a.F. = Abs 4 n.F. sei am Bundessozialgericht ein Revisionsverfahren (B 14 AS 56/13 R) anhängig.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit Entscheidung durch den Berichterstatter nach § 155 Abs 3, 4 SGG erklärt.
Die Beschwerde ist zulässig; sie ist insbesondere statthaft.
§ 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG regelt abschließend die Statthaftigkeit der Beschwerde gegen eine Ablehnung von Prozesskostenhilfe. Die insoweit weitergehende Vorschrift des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO findet, auch wenn nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) über die Prozesskostenhilfe entsprechend gelten, keine Anwendung. Dies erscheint im Hinblick darauf, dass § 172 SGG die Rechtsbehelfe gegen Beschlüsse für das sozialgerichtliche Verfahren erkennbar abschließend regelt, einen Verweis auf ZPO-Vorschriften, insbesondere zur Prozesskostenhilfe nicht enthält, dagegen aber eine eigene die Prozesskostenhilfe regelnde Bestimmung vorsieht, nicht zulässig. Dabei lässt sich der Senat insbesondere von der Rechtsprechung des BVerfG leiten, die gerade für Rechtsbehelfe Klarheit durch das geschriebene Gesetz verlangt (BVerfG - Plenum, Beschluss vom 30.04.2003, 1 PBvU 1/02). Für den Ausschluss der Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe im Klageverfahren kommt es nach der insoweit klaren Vorgabe des § 172 SGG ausschließlich auf den Gesichtspunkt der Bedürftigkeit und nicht darauf, ob in der Hauptsache die Berufung zulässig wäre, an (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 10. Auflage, § 172 RdNr 6i mwN). Dies folgt insbesondere auch aus der Gesetzeshistorie (vgl. dazu im Einzelnen den Beschluss des erkennenden Senats vom 12. Februar 2013, L 32 AS 5/13 B PKH, veröffentlicht in juris).
Diese Rechtslage hat sich zwar zum 25. Oktober 2013 durch Art. 7 Nr. 11 Buchstabe b des Gesetzes vom 19. Oktober 2013 (BGBl I 2013, 3836) geändert. § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG lautet seither: Die Beschwerde ist ausgeschlossen gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn a) das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint, b) in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte oder c) das Gericht in der Sache durch Beschluss entscheidet, gegen den ...