Entscheidungsstichwort (Thema)

ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit. Schätzung der Beitrage. Schätzung der Entgelte. Schwarzarbeit. Service-Unternehmen. Abdeckrechnungen. Insolvenz. unbillige Härte

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 07. März 2022 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren und das erstinstanzliche Verfahren auf 91.031,94 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Streitig ist die sofortige Vollziehbarkeit von Beitragsforderungen der Antragsgegnerin aus Änderungsbescheiden vom 01. Juni 2021 zur Beitragsfestsetzung für die Jahre 2013, 2014, 2015 und 2016.

Die Antragstellerin ist ein in der Rechtsform einer GmbH geführtes Bauunternehmen, das ein Gewerbe für die Erbringung von Trockenbau-, Fliesenleger- und Abbrucharbeiten angemeldet hat und dessen alleiniger Geschäftsführer zunächst der Gesellschafter M und seit dem 02. Februar 2016 bis zum Ende des hier interessierenden Zeitraums Z war. Die Antragstellerin ist Mitglied der Antragsgegnerin. Auf Grund der von der Antragstellerin mitgeteilten Lohnsummen in den einzelnen Gewerbezweigen setzte die Antragsgegnerin die Beiträge zunächst wie folgt fest:

Jahr   

Bescheiddatum

Beitrag

Gewerbe/Entgelt

Büro/Entgelt

2013   

25.04.2014

2.716,67 €

29.077 €

23.940 €

2014   

24.04.2015

9.351,00 €

102.330 €

62.114 €

2015   

26.04.2016

 6.790,56 €

74.873 €

85.048 €

2016   

25.04.2017

9.907,62 €

108.289 €

83.932 €

Zudem erhob die Antragsgegnerin für den Arbeitsmedizinischen-Sicherheitstechnischen Dienst (ASD) folgende Beitrage: für 2014 mit Bescheid vom 24. April 2015 i. H. v. 235,53 Euro, für 2015 mit Bescheid vom 26. April 2016 i. H. v. 369,50 Euro und für 2016 mit Bescheid vom 25. April 2017 i. H. v. 400,19 Euro. Diese Beiträge wurden von der Antragstellerin entrichtet und durch die Antragsgegnerin Unbedenklichkeitsbescheinigungen erteilt.

Aufgrund des Verdachts unter anderem des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gemäß § 266a Strafgesetzbuch (StGB) sowie des Betrugs (§ 263 StGB) und der Steuerhinterziehung (§§ 369, 370 Abgabenordnung - AO) durch illegale Beschäftigung weiterer, nicht angemeldeter Arbeitnehmer wurde im Juli 2015 zunächst gegen den damaligen Geschäftsführer der Antragstellerin M ein Strafverfahren eingeleitet, das später mit dem gegen den weiteren Geschäftsführer Z geführten Verfahren verbunden wurde. Insoweit wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Staatsanwaltschaft Berlin (Az.: 246 Js 1139/15) verwiesen. Im Rahmen der Ermittlungen erfolgten unter anderem Durchsuchungen in den Büroräumen der Antragstellerin und beim Geschäftsführer M, Vernehmungen von auf Baustellen der Antragstellerin tätigen Personen sowie Durchsuchungen bei Nachunternehmern der Antragstellerin, die in dem Verdacht standen, als sogenannte Servicefirmen Scheinrechnungen erteilt zu haben. Es wurden eine Vielzahl von Unterlagen zu von den von der Antragstellerin geschlossenen Verträgen mit Auftraggebern und Nachunternehmen beschlagnahmt. Zudem wurden u. a. Unterlagen zum Zahlungsverkehr, zu Barabhebungen und Scheckeinlösungen für die Konten der Antragstellerin ausgewertet und in Bezug auf auf den Baustellen der Antragstellerin beschäftigten sowie bei der Antragstellerin und Nachunternehmen zur Sozialversicherung gemeldeten Personen, Abfragen beim Finanzamt und den Sozialversicherungsträgern durchgeführt sowie der E-Mailverkehr zwischen der Antragstellerin und den Nachunternehmern und Telefondaten ausgewertet.

Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit teilte der Antragsgegnerin am 03. September 2020 telefonisch mit, dass die Ermittlungsverfahren gegen die beiden Geschäftsführer der Antragstellerin sich in der finalen Bearbeitung befinden würden. Anschließend erhalte der DRV-Prüfdienst die Ergebnisse zur Schadenberechnung. Das Hauptzollamt Berlin (HZA) wandte sich mit Schreiben vom 13. Januar 2021 an die Antragsgegnerin und bat um Bezifferung des bei ihr entstanden Beitragsschadens für die Kalenderjahre 2013 bis 2016. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass die beiden Geschäftsführer der Antragstellerin unter dem Verdacht stehen, eine Vielzahl von ihnen im Mai 2013 bis September 2016 auf diversen Bauvorhaben eingesetzten Arbeitnehmer nicht bzw. nicht ordnungsgemäß gegenüber den jeweiligen Einzugsstellen zur Sozialversicherung und der zuständigen Finanzbehörde gemeldet zu haben, um entsprechende Abgaben vorzuenthalten. Es bestehe der Verdacht, dass sie die entsprechenden Aufwendungen für Schwarzlohnzahlungen durch Scheinrechnungen in der Buchhaltung der Antragstellerin verschleiert hätten. Neben den in der Lohnbuchhaltung erfassten Arbeitsentgelten seien zusätzliche Schwarzlohnnettozahlungen i.H.v. 2.524.977 Euro für gewerbliche Arbeitnehmer ermittelt worden, hieraus habe die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg (DRV) die zusätzlichen Bruttoarbeitsentgelte errechnet. Für das Kalenderjahr 2013 ergebe sich ein Betrag von 615.560,13 Euro, ...

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