Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. vorläufiges Rechtsschutzverfahren. Krankengeld. Befristung. Auflagen. Verweisung auf Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe. Ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Anordnungsgrund. Leistungen für einen Zeitraum vor der gerichtlichen Entscheidung
Leitsatz (amtlich)
1.) Zur Befristung und Auflagen in stattgebenden Beschlüssen zur Gewährung von Krankengeld.
2.) Zur Verweisung auf Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe in vorläufigen Rechtsschutzverfahren zur Gewährung von Krankengeld.
Normenkette
SGG § 44 Abs. 1, § 46 S. 1 Nr. 2, § 192 Abs. 1 Nr. 2, § 86b Abs. 2 S. 2; GG Art. 19 Abs. 4
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. September 2013 geändert: Die Antragsgegnerin wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vom 23. September 2013 bis zum 11. November 2013 Krankengeld zu gewähren.
Im Übrigen werden die Beschwerden zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die Hälfte der ihr durch das Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerden der Antragstellerin und der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. September 2013 sind gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Jedoch ist nur die Beschwerde der Antragstellerin teilweise begründet und führt zu der aus dem Tenor dieser Entscheidung ersichtlichen Änderung des sozialgerichtlichen Beschlusses.
1.) Nach der in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) grundsätzlich gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage steht der Antragstellerin in der streitigen Zeit bis zum 11. November 2013 - vorbehaltlich einer Prüfung im Widerspruchsverfahren - ein Anspruch auf Krankengeld und damit auch ein Anordnungsanspruch zu. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn eine Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Nach den insoweit übereinstimmenden Feststellungen ihres behandelnden Arztes Dr. S und der Ärzte des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) G und Dr. M (vom 28. März bzw. vom 17. Juli 2013) litt die Antragstellerin während dieser Zeit an häufigen Durchfällen (mindestens 10-15 Stühle pro Tag) mit krampfartigen Schmerzen im Bauchbereich und im Anusbereich, besonders stark beim Sitzen. Die Durchfälle und die Schmerzen hinderten und hindern sie daran, ihre Arbeit als Mitarbeiterin in einem Call-Center auszuüben, weil sie eine regelmäßige Arbeitsleistung schlechthin ausschließen. Der behandelnde Arzt der Antragstellerin hat dieser in der streitigen Zeit auf den Auszahlscheinen der Antragsgegnerin auch lückenlos bis zum 11. November 2013 gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V Arbeitsunfähigkeit bescheinigt (letzte Bescheinigung vom 25. Oktober 2013), weil diese ärztlichen Feststellungen der Arbeitsunfähigkeit nicht befristet waren und sind. Damit bleibt auch die Mitgliedschaft der Antragstellerin bei der Antragsgegnerin gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V - vorbehaltlich einer abschließenden Prüfung in der Hauptsache - als eine maßgebliche Voraussetzung für einen Anspruch der Antragstellerin auf Krankengeld erhalten. § 7 Abs. 3 Sozialgesetzbuch/Viertes Buch (SGB IV) kann bei einer Lückenlosigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und der Fortdauer der Mitgliedschaft der Antragstellerin (bei der Antragsgegnerin) ihrem Krankengeldanspruch nicht entgegengehalten werden.
2.) Die Antragstellerin hat jedoch nicht nur einen Anordnungsanspruch gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG, sondern auch einen Anordnungsrund für eine Krankengeldgewährung in der Zeit vom 23. September 2013 bis zum 11. November 2013 glaubhaft gemacht. Nach ihrem Schreiben vom 25. Oktober 2013 ist zu erwarten, dass sie ihre Beschäftigung zum 11. November 2013 wieder aufnimmt, so dass sie bis zu diesem Zeitpunkt auf die Gewährung von Krankengeld angewiesen ist, um ihren Lebensunterhalt decken zu können. Der Senat hat deshalb die zeitliche Beschränkung der Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Leistungsgewährung bis zum 04. November 2013 durch das Sozialgericht auf Grund der Vorlage des Auszahlscheins vom 25. Oktober 2013 geändert und die Leistungspflicht bis zum 11. November 2013 verlängert. Eine solche Befristung erscheint unabhängig von der geplanten Arbeitsaufnahme der Antragstellerin bei Vorliegen einer akuten Erkrankung bei unklarer Diagnose aber auch deshalb geboten, um es der Antragsgegnerin zu ermöglichen, die Feststellung der Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit sowie die Ergebnisse medizinischer Maßnahmen zur Erkennung und Behandlung der Erkrankung unter Kontrolle zu halten und dadurch den Vorbehalt einer Überprüfung des Krankengeldanspruchs im Hauptsacheverfahren nicht leerlaufen zu lassen. Der Senat hält es in Fällen wie dem vorliegenden aus den dargele...