Entscheidungsstichwort (Thema)
Einfluss einer Alkoholkrankheit auf die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten
Orientierungssatz
1. Nach § 43 Abs. 3 SGB 6 ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbsfähig sein kann. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
2. Eine quantitative Erwerbsminderung ergibt sich nicht allein daraus, dass ein Versicherter wegen eines Leidens häufig krankheitshalber arbeitsunfähig ist. Erst dann sind die Mindestanforderungen an die während eines Arbeitsjahres zu erbringenden Arbeitsleistungen nicht mehr als erfüllt anzusehen, wenn der Versicherte die Arbeitsleistung für einen Zeitraum von mehr als 26 Wochen im Jahr gesundheitsbedingt nicht mehr erbringen kann (Anschluss: BSG, Beschluss vom 31. Oktober 2012, B 13 R 107/12 B).
3. Wiederholte Trinkphasen eines alkoholkranken Versicherten begründen dann keine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen mit der Folge der Benennungspflicht einer Verweisungstätigkeit, wenn der Versicherte nach einem kurzzeitigen Rückfall über mehrere Monate abstinent bleibt.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 02. November 2011 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Der 1962 geborene Kläger durchlief vom 01. September 1978 bis zum 15. Juli 1981 erfolgreich eine Ausbildung zum Ausbaumaurer und war seither - unterbrochen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit - als Maurer, Hausmeister, stellvertretender Gaststättenleiter, Rohrleger, Bauhelfer, Meliorationsarbeiter, Monteur und Waldarbeiter beschäftigt. Die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung wurde 1997 ausgeübt. Seither besteht Arbeitslosigkeit. Er bezieht Arbeitslosengeld II. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 anerkannt. Er verfügt nach Verlust der Fahrerlaubnis nur über einen polnischen Führerschein.
Der Kläger beantragte am 14. November 2007 bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Er hielt sich im Hinblick auf Herz-Kreislauf-Beschwerden, Diabetes mellitus, Rückenbeschwerden, Alkoholprobleme und Depressionen seit 2005 für erwerbsgemindert. Die Beklagte beauftragte die Fachärztin für Sozialmedizin Frau S mit der Erstellung eines allgemeinmedizinischen Gutachtens. In dem Gutachten vom 07. April 2008 (nach einer Untersuchung vom 28. März 2008) diagnostizierte sie
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Diabetes mellitus Typ II |
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Arterieller Hypertonus |
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Adipositas per magna |
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Fettstoffwechselstörung, Gicht |
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Chronisches rezidivierendes lumbales Pseudoradikulärsyndrom bei fortgeschrittenen degenerativen Wirbelsäulenveränderungen |
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Zustand nach verletzungsbedingtem Kniebinnenschaden rechts 1996 (operativ versorgt) |
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Chronischer Alkoholabusus (Quartalstrinker), Zustand nach Pankreatitis 01/2004. |
Der Kläger könne zwar seine letzte Tätigkeit als Fenstermonteur nur noch im Umfang von unter drei Stunden täglich verrichten. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei er jedoch in der Lage, leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten in allen Haltungsarten unter Beachtung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen täglich sechs Stunden und länger zu verrichten. In der Folge lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers durch Bescheid vom 14. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2008 ab.
Hiergegen hat der Kläger am 21. Juli 2008 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) (SG) erhoben und die Gewährung von Rente wegen voller, hilfsweiser teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01. November 2007 begehrt. Die Beklagte habe seine Alkoholkrankheit, die Rücken- und Knieprobleme, die Gicht und die Herzbeschwerden nicht hinreichend berücksichtigt. Er hat u. a. einen Auszug aus einem im Juni 2008 für die Agentur für Arbeit erstellten Gutachten nach Aktenlage des Dr. S eingereicht.
Das SG hat zum medizinischen Sachverhalt ermittelt und zunächst Befundberichte der Fachärztin für Innere Medizin Dipl.-Med. P vom 30. September 2008, des Facharztes für Innere Medizin Dr. E vom 16. November 2008, der Augenärztin Dr. J vom 21. Dezember 2008 sowie des Facharztes für Allgemeinmedizin F vom 09. März 2009 nebst weiterer medizinischer Befundunterlagen eingeholt. Unter den weiteren Unterlagen fand sich u. a. ein Entlassungsbericht des A Fachklinikum T vom 15. Januar 2009 betreffend einen stationären Aufenthalt vom 08. bis zum 12. Januar 2009 zur Alkoholentgiftungsbehandlung.
Die Beklagte hat den Entlassungsbericht der S-Klinik L betreffend einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 18. März bis zum 24. April 2009 zur Alkoholentwöhnungsbehandlung, der vom Kläger vorzeitig abgebrochen wurde, übersandt, in welchem folgende Diagnosen ...