Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss einer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht bei einem in einem Unternehmen abhängig beschäftigten Rechtsanwalt

 

Orientierungssatz

1. Von der Rentenversicherungspflicht werden nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB 6 befreit Beschäftigte oder selbständig Tätige, wenn sie Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und zugleich Mitglied einer berufsständischen Kammer sind.

2. Der Befreiungstatbestand erfasst nur die von der Beschäftigung geprägte Erwerbstätigkeit, wegen der die Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung und bei der berufsständischen Kammer besteht. Nur in diesem Fall ist das Tatbestandsmerkmal "derselben Beschäftigung" i. S. von § 6 Abs. 1 SGB 6 erfüllt.

3. Eine Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Beschäftigung i. S. des § 7 Abs. 1 SGB 4 bei einem nicht anwaltlichen Arbeitgeber kann dem Bereich der anwaltlichen Berufstätigkeit nicht zugeordnet werden. Eine lediglich inhaltliche Überschneidung der Tätigkeiten bei einem Unternehmen mit der Tätigkeit eines Rechtsanwalts reicht nicht aus.

4. Die abhängig ausgeübte Tätigkeit eines in einem Unternehmen angestellten Rechtsanwalts gehört als abhängige Beschäftigung i. S. von § 7 SGB 4 zum Kernbereich der typisch Schutzbedürftigen. Deshalb besteht Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Februar 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Klägerin für den Zeitraum vom 10. Juli 2008 bis zum 30. April 2010 für die Tätigkeit, die sie in dieser Zeit bei der Beigeladenen zu 1) ausübte, von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien muss.

Die 1972 geborene Klägerin ist Volljuristin. Die Beigeladene zu 1) war im Streitzeitraum ein als GmbH geführtes Unternehmen mit ca. 240 Mitarbeitern, jedoch ohne eigene Rechtsabteilung. Die Beigeladene zu 2) leistet ihren Mitgliedern und sonstigen Leistungsberechtigten Versorgung nach Maßgabe ihrer Satzung.

Die Klägerin ist als zugelassene Rechtsanwältin seit dem 2004 Mitglied der Rechtsanwaltskammer (RAK) Berlin und hierdurch ab diesem Zeitpunkt auch Pflichtmitglied der Beigeladenen zu 2). Auf ihren Befreiungsantrag vom 29. Februar 2004 wurde sie durch Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2004 ab dem 27. Januar 2004 für ihre Tätigkeit als “Rechtsanwältin„ von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung der Angestellten befreit.

Seit dem 2008 war die Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) als Geschäftsführerin angestellt. Der geschlossene “Dienstvertrag„ wurde nach Liquidation der Beigeladenen zu 1) zum 2010 beendet; wegen der Einzelheiten wird auf den Vertrag, die Stellenbeschreibung der Beigeladenen zu 1) vom 15. November 2008 und die Ergänzung hierzu vom 14. August 2009 sowie die Syndikuserklärung der Beigeladenen zu 1) zur Vorlage bei der RAK ebenfalls vom 14. August 2009 Bezug genommen.

Am 4. September 2008 stellte die Klägerin bei dem Beklagten unter Beifügung der Stellenbeschreibung einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für ihre Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1). Dieser Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. Oktober 2008 mit der Begründung ab, die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) lägen nicht vor, da die Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) nicht anwaltlich beschäftigt sei. Von einer derartigen Beschäftigung könne nur ausgegangen werden, wenn die Aufgabenfelder Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung kumulativ wahrgenommen würden, was im Falle der Klägerin aufgrund der Stellenbeschreibung jedoch nicht der Fall sei. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. April 2009 zurück.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen, sie habe bei der Beigeladenen zu 1) eine anwaltliche Tätigkeit ausgeübt, da sie als Geschäftsführerin unter anderem für die alle in ihrem Tätigkeitsbereich anfallenden Rechtsfragen zuständig und dabei von Weisungen unabhängig gewesen sei. Sie habe Verträge geprüft und die Beigeladene zu 1) nach außen und in gerichtlichen Verfahren vertreten. Damit habe sie alle Aufgaben erfüllt, die ein typisches anwaltliches Berufsbild ausmachten. Im Gerichtsverfahren hat die Klägerin noch eine Bestätigung der RAK Berlin vom 29. November 2009, wonach eine Prüfung die Vereinbarkeit der Nebentätigkeit der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) mit dem Rechtsanwaltsberuf ergeben habe, vorgelegt, auf deren Inhalt verwiesen wird.

Durch Urteil vom 25. Februar 2011 hat das Sozialgericht (SG) Berlin die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB VI hätten nicht vorgelegen. Ungeschriebene...

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