Entscheidungsstichwort (Thema)

Verrechnung von Sozialleistungen: Anforderung an die Bestimmtheit der Verrechnungserklärung in einem Verwaltungsakt

 

Orientierungssatz

Ein Verwaltungsakt, mit dem ein Sozialleistungsträger (hier: Rententräger) gegenüber einem Leistungsempfänger die Verrechnung einer Geldleistung (hier: Rentennachzahlung) mit mehreren gegen den Empfänger bestehenden Forderungen anderer Sozialleistungsträger festsetzt, genügt dem Bestimmtheitserfordernis jedenfalls dann nicht, wenn der Bescheid nicht eindeutig erkennen lässt, welche der Forderungen in welcher Höhe gegen die Geldleistung aufgerechnet werden sollen und ob eine Rangfolge der Forderungen besteht.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Mai 2008 und der Bescheid der Beklagten vom 3. August 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 2001 aufgehoben.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Verrechnung seiner Rentennachzahlung.

Mit Eingang bei der Beklagten am 23. November 1981 stellte das Arbeitsamt Rosenheim einen Antrag auf Verrechnung gemäß § 52 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) in Höhe von 1.668,50 DM wegen zurückzufordernden Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 1. Februar 1975 bis 17. März 1975. Mit Eingang bei der LVA Oberbayern am 21. Dezember 1983 ermächtigte das Arbeitsamt Aalen die Beklagte zur Verrechnung nach § 52 SGB I wegen rückständigen Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 18. März 1975 bis 24. April 1975 und 1. Februar 1975 bis 13. März 1975 in Höhe von 1.677,40 DM.

Zu einem unbekannten Datum, ca. Anfang 1985, ersuchte die Bayerische Bau-Berufsgenossenschaft (im Folgenden: Bau-BG) die Beklagte zur Vormerkung der Verrechnung geschuldeter Beträge.

Mit Eingang bei der Beklagten am 11. August 1988 stellte die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) Traunstein ein Verrechnungsersuchen nach § 52 SGB I i.V.m. § 51 SGB I bezüglich rückständiger Beiträge in Höhe von 8.441,47 DM für die Zeit vom 1. Oktober 1982 bis 31. Dezember 1982.

Mit Schreiben vom 28. März 1985 teilte die Beklagte der Bau-BG mit, dass sie das Vormerkungsersuchen zum Vorgang des Versicherten genommen habe. Gleiches teilte die Beklagte mit Schreiben vom 17. August 1988 der AOK Traunstein mit.

Am 24. Januar 2000 hat der Kläger einen Antrag auf Altersrente für langjährig Versicherte wegen Vollendung des 63. Lebensjahres gestellt.

Auf Anfrage der Beklagten teilte das Landesarbeitsamt (LAA) Bayern am 17. Februar 2000 mit, dass seine Restforderung 649,10 DM betrage und dass es sich bei den Verrechnungsersuchen vom 23. November 1981 und 21. Dezember 1983 um die gleiche Forderung handele. Die AOK Traunstein teilte mit Schreiben vom 16. Februar 2000 mit, dass ihre Forderung sich inklusive Zinsen immer noch auf 10.375,90 DM belaufe. Die Bau-BG bestätigte mit Schreiben vom 8. März 2000, dass ihre Forderung noch 3.418,31 DM betrage.

Mit Bescheid vom 17. Mai 2000 bewilligte die Beklagte dem Kläger Altersrente für langjährige Versicherte ab 1. Januar 2000. Es ergab sich für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis 30. Juni 2000 eine Nachzahlung in Höhe von 7.877,52 DM, die die Beklagte vorläufig einbehielt.

Mit Schreiben vom 29. Mai 2000 rechnete die Beklagte die Rentennachzahlung ab und teilte dem Kläger mit, dass 3.938,76 DM an ihn ausgezahlt würden, der gleiche Betrag jedoch weiterhin einbehalten werde. Hierüber erhalte er zu gegebener Zeit weitere Nachricht.

Mit Schreiben vom 29. Mai 2000 teilte der Kläger mit, dass ein Einbehalt der Nachzahlung nicht zulässig sei, weil er in der Zeit von Januar bis Juni 2000 keine Zahlung erhalten habe. Er habe während dieses Zeitraums Schulden gemacht und sei dringend auf die Nachzahlung angewiesen, um diese zurückzahlen zu können.

Mit Schreiben vom 9. Juni 2000 hörte die Beklagte den Kläger dahingehend an, dass sie beabsichtige, die Nachzahlung in Höhe von 3.938,76 DM mit Forderungen des Arbeitsamtes Rosenheim, der AOK Traunstein und der Bau-BG zu verrechnen. Er erhielt Gelegenheit, sich innerhalb von drei Wochen zu der vorgesehenen Verrechnung zu äußern. Dies tat der Kläger mit Schreiben vom 19. Juni 2000. Er teilte mit, dass die Forderung der AOK Traunstein durch Vergleich erledigt worden und daher hinfällig sei. Außerdem habe diese Forderung nicht ihn persönlich betroffen, sondern seinen Sohn, der damals ein Autohaus geführt habe. Eine Forderung der Bau-BG sei ihm nicht bekannt. Die Forderung des Arbeitsamtes sei bekannt, er wisse nicht, ob die Höhe noch zutreffe. Durch die Verrechnung werde Hilfebedürftigkeit eintreten. Er habe Geld für die Zeit von Januar bis Juni 2000 geliehen und müsse dieses zurückzahlen.

Mit Schreiben vom 5. Juli 2000 teilte die AOK Traunstein mit, dass ihre Forderung gegen den Kläger zu Recht bestehe. Sie legte Kopien eines Schuldanerkenntnisses gemäß § 781 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vom 12....

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