Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der Anrechnung von Vermögen und Einkommen bei der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung - Einnahme in Geld bzw. Geldeswert - Verteilung zugeflossenen Einkommens
Orientierungssatz
1. Eine im Bewilligungszeitraum der Grundsicherung erhaltene Erbschaft ist grundsicherungsrechtlich nicht als Vermögen, sondern als Einkommen zu qualifizieren.
2. Für die Qualifizierung, ob Vermögen oder Einkommen vorliegt, ist nicht auf den Zeitpunkt, in dem die Erbschaft als bereites Mittel zur Verfügung steht, abzustellen, sondern allein auf den Zeitpunkt des Anfalls der Erbschaft.
3. Auch nach der ab 1. 8. 2016 geltenden Fassung des § 11 SGB 2 stellt die Gutschrift des Verkaufserlöses eines Grundstücks auf dem Konto des Grundsicherungsberechtigten keine Einnahme in Geldeswert i. S. des § 11 SGB 2, sondern eine Einnahme in Geld dar.
4. Den Charakter als Einkommen verliert eine einmalige Einnahme auch nach erneuter Antragstellung im nachfolgenden Bewilligungszeitraum nicht (BSG Urteil vom 12. 12. 2013, B 14 AS 76/12 R).
5. Zugeflossenes Einkommen ist gemäß § 11 Abs. 3 S. 4 SGB 2 auf die sechs Folgemonate nach Zufluss der Einnahme zu verteilen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Potsdam vom 15. Mai 2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten höhere Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum 1. Juni 2017 bis 31. Oktober 2017 ohne Anrechnung einer zugeflossenen Erbschaft.
Die 1964 geborene Klägerin erhielt seit 2010 von dem Beklagten laufend Grundsicherung Leistungen nach dem SGB II. Am 8. April 2016 beantragte die Klägerin die Weiterbewilligung der Leistungen und der Beklagte bewilligte antragsgemäß mit Bescheid vom 15. April 2016 Leistungen für den Zeitraum Mai 2016 bis April 2017 in monatlicher Höhe von 989,30 € vorläufig.
Mit Schreiben vom 15. Februar 2017 teilte die Klägerin dem Beklagten den Erhalt einer Erbschaft mit. Es handele sich um ein mit einem Wohngebäude bebautes Grundstück in T mit einem Wert von rund 8000 € aus dem Erbe ihrer im April 2016 verstorbenen Mutter. Dem Schreiben war die Kopie eines Erbscheins des Amtsgerichts L vom 9. Dezember 2016 beigefügt (40 VI 306/16) welcher die Klägerin als Alleinerbin der am 30. April 2016 verstorbenen Mutter ausweist. Mit Kaufvertrag vom 19. April 2017 verkaufte die Klägerin das Grundstück zu einem Kaufpreis von 10.000 €; dieser Betrag (10.000 €) wurde dem Konto der Klägerin bei der Mittelbrandenburgischen Sparkasse am 15. Mai 2017 gutgeschrieben. Aus dem Erbe zahlte die Klägerin einen Pflichtteil i.H.v. 1457,97 € am 19. Mai 2017. Außerdem beglich sie eine Heizölrechnung für das Grundstück i.H.v. 355,07 € und zahlte ebenfalls am 19. Mai 2017 ein Darlehen über 4500 € zurück, welches sie aufgenommen hatte, um die Nachlassverbindlichkeiten zahlen zu können.
Auf den Weiterbewilligungsantrag der Klägerin vom 31. März 2017 bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrem in Bedarfsgemeinschaft lebenden Sohn T mit Bescheid vom 4. Mai 2017 vorläufig Leistungen für den Zeitraum von Mai bis Oktober 2017 unter Berücksichtigung eines Gesamtbedarfes i.H.v. 1147,50 € und erzieltem Einkommen (Kindergeld) in einer Leistungshöhe von 985,50 €.
Mit Bescheid vom 21. August 2017 bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrem Sohn schließlich für den Zeitraum Mai bis Oktober 2017 endgültig Leistungen. Für den Monat Mai 2017 bewilligte er 985,50 € und für die Monate Juni bis Oktober 2017 monatlich jeweils 286,65 €. Als Bedarf für die Klägerin und ihren Sohn berücksichtigte der Beklagte einen Regelbedarf i.H.v. 736 €, eine Grundmiete i.H.v. 270,50 €, Heizkosten i.H.v. 91 € und Nebenkosten i.H.v. 50 €, monatlich insgesamt ein Gesamtbedarf in Höhe von mithin 1147,50 €. Als Einkommen berücksichtigte der Beklagte das erhaltene Kindergeld in Höhe von monatlich 192 € abzüglich eines Freibetrages von 30 €, mithin 162 €. Für die Monate ab Juni 2017 sei zudem die erhaltene Erbschaft zu berücksichtigen gewesen. Abzüglich der Nachlassverbindlichkeiten und der Pflichtteilsquote für einen weiteren Erben habe sich ein zu berücksichtigender Betrag i.H.v. 4373,91 € ergeben. Dieser Betrag sei ab Juni 2017, dem Folgemonat des Zuflusses des Kaufpreises, bis November 2017 in Höhe von jeweils 728,85 € als monatliches Einkommen zu berücksichtigen.
Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch änderte der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2017 den Bescheid vom 21. August 2017 ab und setzte für den Zeitraum 1. Juni bis 30. September 2017 monatlich 418,89 € und für den Monat Oktober 2017 286,65 € fest. Hinsichtlich der Erbschaft führte der Beklagte in dem Widerspruchsbescheid aus, vom Erlös des Grundstücksverkaufes (10.000 €, der Klägerin ausgezahlt am 15. Mai 2017) seien die Verbindlichkeiten abzuziehen (1457,97 € Pflichtteil + 355,07 € Heizölre...