Entscheidungsstichwort (Thema)
Halbwaisenrente. Stiefkind. Haushaltsaufnahme. Halbwaisenrentenanspruch. Aufnahme in den Haushalt
Leitsatz (amtlich)
Soziale Probleme aufgrund einer Alkoholkrankheit stehen einer Aufnahme des Stiefkindes in den Haushalt des verstorbenen Versicherten nicht entgegen.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. August 2010 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 30. Mai 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08. Mai 2008 verurteilt, dem Kläger Halbwaisenrente dem Grunde nach ab 08. Dezember 2005 zu gewähren.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Halbwaisenrente aus der Versicherung seines verstorbenen Stiefvaters.
Der Kläger wurde 1991 als Kind der Eltern A S und S E S geboren. Am 28. Oktober 1997 heiratete die Mutter des Klägers den 1962 geborenen R R (im Folgenden: der Versicherte). Der Kläger, seine Mutter und der Versicherte lebten ausweislich von Auskünften des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten vom 18. Mai 2007 und 04. März 2009 und der Mutter des Klägers im gerichtlichen Termin vom 17. August 2010 seit 1997 zunächst gemeinsam in der vom Versicherten bereits seit Mai 1987 inne gehabten Wohnung in der Zwei…Straße in B. Von hier zogen der Kläger und seine Mutter am 01. Oktober 2000 aus in die Wohnung Zstraße in 13583 B.
Der Versicherte war in der Wohnung in der Zwei…Straße bis 31. März 2001, in der Zeit vom 01. Juli 2002 bis 15. Dezember 2003 in der Sstraße in B und in der Zeit vom 02. Dezember 2004 bis 07. Dezember 2006 in der Zwei...Straße in B gemeldet. Nach längeren stationären Aufenthalten in der Zeit von Ende 2005 bis ca. Herbst 2006 zog der Versicherte nach Angaben der Mutter des Klägers ca. November 2006 in eine noch nicht möblierte Wohnung in der W Straße. Ausweislich der Sterbeurkunde verstarb er in der Zeit zwischen dem 30. November 2006, 0.00 Uhr, und dem 07. Dezember 2006, 10.15 Uhr. Nach einem Telefonvermerk der Landesversicherungsanstalt Berlin vom 14. Juni 2007 teilte die Mutter des Klägers (als “getrennt lebende Ehefrau„) dort unter Angabe eines polizeilichen Aktenzeichens mit, dass der alkoholkranke Versicherte nach dem Obduktionsergebnis aufgrund eines Zuckerschocks bei bestehender Diabetes verstorben sei.
Im Januar 2007 beantragte die Mutter des Klägers u. a. für den Kläger eine Halbwaisenrente. Die Frage, ob sich die Waise bis zum Tod des Versicherten in dessen Haushalt befand, wurde mit “nein„ beantwortet. Die Nachfrage der Beklagten vom 13. März 2007, ob sie vom Versicherten getrennt gelebt oder ob trotz Trennung ein gemeinsamer Haushalt bestanden habe, beantwortete die Mutter des Klägers mit handschriftlichem Schreiben vom 03. April 2007 wie folgt: “Antwort auf Ihre Fragen:
- Ja, ich habe von meinem verstorbenen Mann, R R, räumlich und wirtschaftlich getrennt gelebt und keinen gemeinsamen Haushalt geführt!
- Mein verstorbener Mann hat sich zeitweise bei mir aufgehalten, da wir uns freundschaftlich verbunden fühlten. Er hat sich um meinen Sohn gekümmert, da ich im 3-Schicht-System arbeite. Nur aufgrund seiner Erkrankung (Alkoholsucht) war es mir nicht möglich auf Dauer mit ihm zusammen zu leben!„
Nach Einholung der bereits genannten Auskunft des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten teilte die Beklagte mit Bescheid vom 30. Mai 2007 mit, dass zwar die allgemeine Wartezeit erfüllt sei, dass aber ein Anspruch auf die Gewährung einer Waisenrente für den Kläger nicht bestehe. Denn ein gemeinsamer Haushalt mit dem Verstorbenen habe zum Zeitpunkt des Todes nicht vorgelegen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch, mit dem die Mutter des Klägers erneut ausführte, dass der Versicherte sich zeitweise bei ihnen aufgehalten habe, da er wegen seiner Erkrankung nicht in der Lage gewesen sei, gänzlich alleine zu leben, er habe sich auch um ihren Sohn gekümmert, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08. Mai 2008 zurück. Zur Begründung ist ausgeführt, dass eine zeitweise Betreuung nicht ausreiche, um von einer Haushaltsaufnahme auszugehen.
Im Klageverfahren hat das Gericht die bereits genannte Auskunft des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten vom 04. März 2009 eingeholt und am 17. August 2010 den Kläger persönlich gehört sowie die Mutter des Klägers als Zeugin vernommen; hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom Termin Bezug genommen. Die Mutter des Klägers hatte hier angegeben, dass der Versicherte ungefähr zu der Zeit, als man sich kennen gelernt habe, angefangen habe, heftig zu trinken. Wegen dieser Alkoholkrankheit sei sie dann im Jahre 2000 zusammen mit dem Kläger aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen, und zwar in die Zstraße. Wenn der Versicherte nicht getrunken habe, sei er dann aber zu ihr gekommen und habe dann auch bei ihr gewohnt. In der Zwei…Straße sei sie nie gewesen. ...