Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung/Pflegeversicherung. Zulässigkeit der rückwirkenden Beitragsfestsetzung bei einem Rentenempfänger

 

Orientierungssatz

Eine Veranlagung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für einen Empfänger von Regelaltersrente durch den Rentenversicherungsträger ist auch für vergangene Zeiträume möglich. Für eine solche rückwirkende Veranlagung kommt es nicht darauf an, ob die Berechnung und Abführung von Beiträgen zuvor schuldhaft durch den Rentenversicherungsträger unterlassen wurden.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 25. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die nachträgliche Erhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- bzw Pflegeversicherung (KV/PV) für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis 30. September 2008.

Der 1941 geborene Kläger bezieht von der Beklagten seit 1. Juli 2006 Regelaltersrente (RAR; Bescheid vom 13. Juli 2006), wobei die Beklagte einen Beitragszuschuss zur KV iHv monatlich 135,97 €, ab 1. April 2007 iHv monatlich 141,89 €, ab 1. Juli 2007 iHv monatlich 142,65 € und ab 1. Juli 2008 iHv monatlich 144,22 € gewährte.

Durch Datenmeldung der Beigeladenen wurde der Beklagten in der Folge mitgeteilt, dass der Kläger seit 1. Juli 2006 in der Krankenversicherung der Rentner versicherungspflichtig sei. Nach Anhörung des Klägers stellte die Beklagte die RAR mit Bescheid vom 22. September 2008 rückwirkend neu fest, wobei sie Pflichtbeiträge zur KV/PV ab 1. Juli 2006 in Ansatz brachte (Überzahlungsbetrag für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis 30. September 2008 = 8.991,84 €). Es sei beabsichtigt, die rückständigen Beitragsanteile an der KV/PV aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten. Zugleich hob die Beklagte die Bewilligung eines Zuschusses zur KV für die Zeit ab 1. Oktober 2008 auf und hörte den Kläger zur beabsichtigten Aufhebung des Bescheides über die Zahlung eines Zuschusses zur KV bereits mit Wirkung vom 1. Juli 2006 an. Die entsprechende Aufhebungsentscheidung mit Rückforderung der in der Zeit vom 1. Juli 2006 bis 30. September 2008 gezahlten Zuschussbeträge in einer Gesamthöhe von 3.793,86 € erfolgte mit Bescheid vom 12. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2009. Insoweit ist das Klageverfahren S 12 R 5578/09 (Sozialgericht - SG - Berlin) anhängig.

Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 22. September 2008, mit dem sich der Kläger gegen die Neuberechnung der RAR unter nachträglicher Berücksichtigung von Beitragsanteilen zur KV/PV für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis 30. September 2008 in einer Gesamthöhe von 5.197,98 € wandte, die Berechnung ab 1. Oktober 2008 aber nicht beanstandete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. April 2009 zurück. Die rückwirkende Beitragserhebung ergebe sich zwingend aus dem Gesetz. Der Kläger sei versicherungspflichtig in der KV/PV seit 1. Juli 2006.

Das SG hat die auf Aufhebung des Bescheides vom 22. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. April 2009, soweit darin für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis 30. September 2008 nachträglich Beitragsanteile zur KV/PV erhoben werden, gerichtete Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 25. Januar 2011). Zur Begründung ist ausgeführt: die Klage sei nicht begründet. Die Beklagte sei gemäß den §§ 255 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V), 60 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) berechtigt, die erhobenen KV/PV-Beiträge nachträglich einzubehalten. Die Grenzen der Verjährung habe die Beklagte beachtet. Die Höhe der geltend gemachten Beitragsanteile in der Zeit vom 1. Juli 2006 bis 30. September 2008 sei nicht zu beanstanden.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor: Er sei von der Beklagten bei der Rentenantragstellung unzutreffend dahingehend informiert worden, dass ein Zuschuss zur KV geleistet werde. Mit der Beigeladenen habe sich die Beklagte nicht zeitnah in Verbindung gesetzt. Gleiches gelte für die Beigeladene. Nach Treu und Glauben und den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs dürfe er jetzt nicht dafür zur Rechenschaft gezogen werden, dass seine Krankenversicherungspflicht nicht zutreffend und zeitnah geprüft worden sei.

Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 25. Januar 2011 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 22. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. April 2009 aufzuheben, soweit die Beklagte darin für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis 30. September 2008 Beitragsanteile zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in einer Gesamthöhe von 5.197,98 € erhebt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereit...

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