Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht: Feststellung des Grades einer Behinderung. Bildung eines Gesamt-GdB
Orientierungssatz
1. Bestehen bei einem Betroffenen mehrere Gesundheitsstörungen, die zu Beeinträchtigungen beim Leben in der Gesellschaft führen, so sind diese bei der Bildung des Gesamt-GdB jedenfalls dann jeweils erhöhend zu berücksichtigen, wenn die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen voneinander unabhängig wirken und verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens beeinträchtigen.
2. Einzelfall zur Bildung eines Gesamt-GdB bei mehreren Einzel-GdB (hier: Gesamt-GdB von 50 bei einer Depression in Kombination nach krebsbedingtem Verlust einer Brust und Polyneuropathie gebildet).
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 10. Februar 2015 geändert und der Beklagte unter Änderung seines Bescheides vom 8. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2012 verpflichtet, bei der Klägerin mit Wirkung ab dem 31. Mai 2017 einen GdB von 50 festzustellen.
Eine Kostenerstattung findet nicht statt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die 1955 geborene Klägerin begehrt die Zuerkennung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50.
Mit Bescheid vom 20. Juli 2005 hatte der Beklagte bei der Klägerin einen GdB von 70 festgestellt und dem folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde gelegt:
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1. |
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Erkrankung der Brust in Heilungsbewährung, Verlust der Brust, |
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2. |
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Depression, Herz- Rhythmusstörungen, Bluthochdruck, psychosomatische Störungen, |
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3. |
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Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks. |
Am 12. März 2007 beantragte die Klägerin die Feststellung eines höheren GdB und die Zuerkennung des Merkzeichens G. Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 2. Juli 2007, bestätigt mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2007, ab.
Nach Ablauf der Heilungsbewährungszeit leitete der Beklagte ein Nachprüfungsverfahren ein, in dessen Rahmen die Klägerin am 19. November 2010 die Neufeststellung und die Zuerkennung der Merkzeichen G, aG, RF beantragte. Der Beklagte zog Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte bei und hörte diese zu einer beabsichtigten Herabsetzung des GdB auf 40 an. Mit Bescheid vom 18. Juni 2011 stellte der Beklagte mit Wirkung ab Bekanntgabe des Bescheides bei der Klägerin einen GdB von 40 fest sowie eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit und hob im Übrigen seinen Bescheid vom 20. Juli 2005 auf. Zur Begründung führte er aus, bei der Klägerin sei wegen Ablaufs der Heilungsbewährung eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten. Seiner Entscheidung legte der Beklagte folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde und ging dabei verwaltungsintern von dem jeweils in Parenthesen aufgeführten Einzel-GdB aus:
- psychosomatische Erkrankung (10),
- psychische Minderbelastbarkeit (20),
- Polyneuropathie (10),
- Bluthochdruck (10),
- Herz-Rhythmusstörungen (10),
- Verlust der linken Brust (30),
- Funktionsstörung der Wirbelsäule (10),
- Funktionsstörung beider Schultergelenke (10),
- Funktionsstörung des linken Kniegelenkes (10) sowie
- Funktionsstörung des rechten oberen Sprunggelenkes (10).
Die Feststellung von Nachteilsausgleichen lehnte der Beklagte im Hinblick auf das Nichterreichen eines GdB von 50 ab. Mit dem hiergegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie sei hilfsbedürftig und habe ständig Angst vor einer erneuten Krebserkrankung. Der Beklagte zog daraufhin Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte bei sowie ein für die Rentenversicherung erstelltes Gutachten und wies mit Widerspruchsbescheid vom 3. August 2012 den Widerspruch zurück. Hierbei fasste er die Bezeichnung der Funktionsbeeinträchtigungen neu. Diese lauteten nunmehr:
- psychische Krankheit (20),
- Polyneuropathie (10),
- Verlust der linken Brust (30),
- Funktionsstörung der Wirbelsäule (10),
- Funktionsstörung beider Schultergelenke (10),
- Lymphödem des linken Armes (20),
- Funktionsstörung des linken Kniegelenkes (10),
- Fußfehlbildung beidseits (10),
- Nervenstörung beider Beine (10) sowie
- Funktionsstörung des rechten oberen Sprunggelenks (10).
Mit der am 20. August 2012 erhobenen Klage hat die Klägerin sich gegen die Absenkung des GdB gewehrt, die Zuerkennung der Merkzeichen G, aG und RF begehrt und zugleich geltend gemacht, dass bei ihr ein GdB nicht unter 50 vorliege. Insoweit seien weitere Funktionsstörungen nicht berücksichtigt worden, insbesondere handele es sich um ihren Bluthochdruck, die Funktionsstörung des rechten Kniegelenks, Herz-Rhythmusstörungen, Inkontinenz sowie Lungenfunktionsstörungen. Das Sozialgericht hat erneut Befundberichte eingeholt und sodann Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Neurologie/Psychiatrie Dr. Sch, der die Klägerin am 26. Mai 2014 untersucht hat und in seinem Gutachten vom 9. Juni 2014 zu der Einschätzung gelangt ist, die bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen seien mit einem Gesamt-GdB von 40 zu bemessen. Nachdem die Klägerin insoweit gelt...