Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einstiegsgeld. selbständige Tätigkeit. Internetshop. Vermittlung von Kaufgelegenheiten. wirtschaftliche Tragfähigkeit. Überwindung/Verringerung von Hilfebedürftigkeit. Prognoseentscheidung

 

Orientierungssatz

1.Bei der Zielvorstellung des § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. F., dass Einstiegsgeld zur "Überwindung der Hilfebedürftigkeit" gewährt werden soll, handelt es sich um eine echte Tatbestandsvoraussetzung im Sinne eines unbestimmten Rechtsbegriffs, der einer vollständigen gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Sie bedeutet, dass eine Gewährung von Einstiegsgeld jedenfalls dann ausgeschlossen ist, wenn die angestrebte Tätigkeit keinerlei berechtigte Chancen und Hoffnungen zulässt, dass sie auf Dauer dazu führen wird, dass der Hilfebedürftige unabhängig von den Leistungen nach SGB II wird leben können (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. März 2008 - L 25 B 331/08 AS ER).

2.War von Anfang an nicht damit zu rechnen und war es auch nicht wahrscheinlich, dass der Hilfebedürftige durch die Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit seine Hilfebedürftigkeit würde überwinden können und war es des Weiteren auch nicht zu erwarten, dass die selbständige Tätigkeit tragfähig sein und die Hilfebedürftigkeit durch sie innerhalb eines angemessenen Zeitraums dauerhaft überwunden oder verringert würde, kann offen bleiben, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die tatsächliche Entwicklung Berücksichtigung finden kann.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 25. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Einstiegsgeld.

Seit dem 1. Januar 2005 bezieht der 1952 geborene Kläger vom Beklagten durchgängig Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Am 1. März 2007 beantragte er bei dem Beklagten die Gewährung von Einstiegsgeld zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit für die Zeit vom 1. März 2007 bis zum 29. Februar 2008.

Er gab an, dass die selbständige Tätigkeit hauptberuflichen Charakter habe und beschrieb sie wie folgt: “Vermittlung von Kaufgelegenheiten (Empfehlungen) auf persönlicher Basis und für einen Internetshop in den Bereichen Auto, Tourismus, Solarenergie und Wellness.„ Die Tätigkeit werde er von zuhause aus ausüben. Er erwarte ein Bruttoeinkommen aus der selbständigen Tätigkeit im ersten Jahr in Höhe von voraussichtlich 12.000,- Euro. Der Kläger fügte seinem Antrag verschiedene Unterlagen bei. Unter anderem legte er einen Lebenslauf vor, nach dem er nach Besuch der P Oberschule in B - - und Militärdienst 1975 einen Abschluss als Facharbeiter - Berufskraftfahrer - an der Spezialschule für Landtechnik in G erworben habe. 1978 bis 1979 habe er eine Weiterbildungsmaßnahme zum Fahrlehrer für Führerscheine der Klasse 3 absolviert, 1996 eine solche zum Installateur für “Heizung- Klima- Sanitär„. Neben einer Erste-Hilfe-Ausbildung im Jahr 2001 gab er im Bereich Weiterbildung verschiedene Maßnahmen im Kraftfahrerbereich an.

Der Kläger beschrieb seinen beruflichen Werdegang seit 1995 wie folgt:

- Vom 9. Oktober 1995 bis zum 4. Oktober 1996 Umschulung zum Heizungs-, Klima-, Sanitärmonteur,

- vom 5. Oktober 1996 bis zum 30. Juni 1998 selbständige Tätigkeit als Makler, privater Arbeitsvermittler, Omnibusfahrer, Leiter des Stewardessenlagers B-Busreisen,

- -vom 1. Juli 1998 bis zum 5. November 2000 Omnibusfahrer und Leiter des Stewardessenlagers im abhängigen Beschäftigungsverhältnis bei der “B GmbH„,

- vom 6. November 2000 bis zum 14. Oktober 2001 abhängig beschäftigter Kraftfahrer von LKW und Tanklastzug bei der K GmbH & Co KG,

- vom 15. Oktober 2001 bis zum 31. Oktober 2002 abhängig beschäftigter Busfahrer bei der A GmbH,

- seit dem 1. November 2001 arbeitslos.

Der Kläger legte des Weiteren eine Bescheinigung des Arbeitsförderungs- und Bildungszen-trums in T vom 20. Oktober 2006 über die erfolgreiche Teilnahme an der vom Beklagten geförderten Trainingsmaßnahme “Existenzgründungsvorbereitung/Starthilfe für potentielle Gründer„ (Teilnahme vom 16. bis 20. Oktober 2006), ein fünfseitiges Unternehmenskonzept sowie ein Schreiben der Dr. B Com - Zweigniederlassung Germany in B - (nachfolgend: Dr. B Com.) vom 29. Januar 2007 vor, in dem darum gebeten wurde, dem Antrag des Klägers zuzustimmen. In dem offenkundig von der Firma Dr. B Com. erstellten Unternehmenskonzept für den “Direktvertrieb/Produktverkauf als Internetdienstleistung„ wurde das Vorhaben des Klägers wie folgt beschrieben: Geschäftsidee sei die gemeinschaftliche Zusammenfassung von vier unabhängigen Internetportalen in einem virtuellen Kaufhaus. Bei den vier Portalen handele es sich um einen “Werbe-Markt„ (Vermittlung von Werbung), einen “Reise-Markt„ (Vermittlung von Reisen sowie Anbindung von Hotels und Pensionen), einen “Auto-Markt„ (Vermittlung und Verkauf von Autos und Finanzieru...

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