Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Wegeunfall. Unfallkausalität. konkrete Wirkursache. Nichterweislichkeit. keine Vermutungsregel. Beweislast
Leitsatz (amtlich)
Lässt sich für einen Arbeits- oder Wegeunfall eine konkrete (Wirk-)Ursache nicht im Ansatz feststellen und ist nicht ersichtlich, dass sich spezifische Gefahren des Betriebs oder des Weges verwirklicht haben könnten, geht die Nichterweislichkeit der Ursache zulasten des Klägers.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 08. Januar 2020 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Ereignisses aus dem Jahr 2017 als Arbeitsunfall.
Der im Jahr 1957 geborene Kläger war zum Zeitpunkt des hier betroffenen Ereignisses vom 24. Juli 2017 beruflich als Taxifahrer tätig und wohnte in E. Die Beklagte erhielt am 28. Juli 2017 eine ärztliche Unfallmeldung des Unfallkrankenhauses B(UKB), der zufolge der Kläger am 24. Juli 2017 gegen 04:15 Uhr während seiner Tätigkeit als Taxifahrer an der Tankstelle L Allee, B, angehalten habe. Danach habe bei dem Kläger eine Erinnerungslücke bis zum Eintreffen des Notarztes auf der Tankstelle eingesetzt. Der Notarzt habe ihn vor dem Taxi liegend aufgefunden, er sei nicht ansprechbar gewesen.
Laut Notarztprotokoll ist der Kläger um 03:52 Uhr vor seinem Taxi liegend aufgefunden worden und habe nicht sagen können, was geschehen sei. Die Erstdiagnose lautete Apoplex.
Ebenso vermerkten die um 03:40 Uhr an der Tankstelle eingetroffenen Polizisten in Ihrem Tätigkeitsbericht, dass der vor seinem Taxi am Boden liegende Kläger aus der Nase geblutet und einen verwirrten Eindruck gemacht habe. Auf Nachfrage habe er keine Angaben zum Geschehen machen können. Das Taxi sei vor Ort ordnungsgemäß abgeparkt und die Fahrzeugschlüssel sichergestellt sowie der Arbeitgeber über die Taxizentrale informiert worden. Die Mitarbeiter der Tankstelle seien gebeten worden, vorhandenes Videomaterial sichern zu lassen.
Nach der klinischen Untersuchung im UKB zeigte sich bei dem Kläger eine kleine Prellmarke mit Hautschädigung am Hinterhaupt (okziptal). Bildgebend fanden sich Kontusionen frontal und temporal links, eine traumatische Hirnblutung (Subarachnoidal-Blutung) und Subdural-Hämatom, ein Bruch des Schädeldaches (Kalottenfraktur) sowie eine Felsenbeinfraktur rechts mit Lufteinschlüssen. Nachdem der Kläger zunächst wach jedoch mit retrograder Amnesie für das Ereignis eingeliefert worden war, wurde er im weiteren Verlauf somnolent bei einem GCS (Glasgow Coma Scale) von 13 Punkten. Es erfolgte unter anderem eine antikonvulsive Medikation mit Kreppa. Als Nebendiagnose wurde ein insulinabhängiger Diabetes mellitus Typ 2 ohne Komplikation (nicht entgleist) festgestellt. Der Kläger befand sich bis zum 07. August 2017 in stationärer Behandlung im UKB und anschließend vom 25. August bis zum 22. September 2017 zur Anschlussheilbehandlung in der G Fachklinik W (vgl. UKB Berichte vom 27. Juli 2017 und 07. August 2017).
Am 03. August 2017 nahm die Beklagte telefonisch Kontakt zu dem Arbeitgeber des Klägers, dem Taxibetrieb P, auf. Der dort im Büro tätige Zeuge S berichtete gegenüber der Beklagten, dass der Kläger von seinem heroinabhängigen Sohn verprügelt worden sei, da dieser an sein Geld habe kommen wollen. Da er, der Kläger, dies jedoch bereits geahnt habe, habe er sein Geld versteckt gehabt und sein Sohn habe es nicht gefunden. Diese Information habe er, der Arbeitgeber, von der Mutter des Klägers erhalten. Eine schriftliche Bestätigung dieser telefonischen Aussage des Arbeitgebers erhielt die Beklagte mit Schreiben vom 04. August 2017.
Im Rahmen eines Telefonats am 22. September 2017 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er am 24. Juli 2017 gegen 02:00 Uhr nachts das Taxi betankt hätte und durch die Autowäsche gefahren sei. Nach einer Autowäsche würde er immer die Türen öffnen und den inneren Türrahmen trockenwischen. Das Nächste, woran er sich dann habe erinnern können, sei das Aufwachen im UKB gewesen. Eigentlich habe er noch 2 Stunden Taxi fahren und danach das Taxi zurückbringen wollen, da tagsüber ein Kollege damit fahre. Diese Aussage reichte er auch mit Schreiben vom 25. September 2017 schriftlich nach.
Auf nochmalige Anfrage der Beklagten erklärte der Arbeitgeber des Klägers am 05. Oktober 2017 schriftlich Folgendes: Die Mutter des Klägers habe am 28. Juli 2017 das Büro des Arbeitgebers in der Hstraße aufgesucht und den Vorfall vom 24. Juli 2017 dergestalt geschildert, dass der schwer drogenabhängige Sohn des Klägers diesen auf der Tankstelle bei der Fahrzeugreinigung überfallen und brutal zusammengeschlagen habe, um ihn zu berauben. Der Kläger sei regelmäßig zum Ende der Schicht und zur selben Zeit an diese Tankstelle gekommen. Dies habe der Sohn gewusst. Die Mutter des Klägers habe dies im Krankenhaus von ihrem Sohn ...