Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungspflicht. ein Auftraggeber. wirtschaftliche Abhängigkeit. Befreiung von der Versicherungspflicht. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Handelsvertreter. Arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger. Schutzbedürftigkeit. Provisionsanspruch. Formelle Publizität. Verschulden. Sozíalrechtlicher Herstellungsanspruch. Gesetzliche Rentenversicherung: Versicherungspflicht als Selbständiger. Annahme der Tätigkeit für nur einen Auftraggeber bei Vertragsbeziehungen zu mehreren Auftraggebern. Anforderungen an die Wiedereinsetzung in eine versäumte Frist zur Beantragung der Befreiung von der Versicherungspflicht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Selbstständiger hat auch dann nur “einen Auftraggeber” i.S.v. § 231 Abs. 5 SGB VI, wenn zwar vertragliche Beziehungen mit mehreren rechtlich selbstständigen natürlichen oder juristischen Personen bestehen, jedoch eine wirtschaftliche Abhängigkeit des Selbstständigen von nur einem Auftraggeber besteht und / oder die mehreren Auftraggeber dem Selbstständigen gegenüber wirtschaftlich als Einheit auftreten.

2. Zwar kommt auch bei Versäumung einer materiell-rechtlichen Frist (wie der des § 231 Abs. 5 SGB VI) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht. Der Antrag kann aber nicht darauf gestützt werden, die Gesetzeslage sei unbekannt gewesen.

3. Für die unterschiedlichen Antragsfristen in § 231 Abs. 5 SGB VI einerseits und § 231 Abs. 6 SGB VI andererseits besteht ein sachlicher Grund, der den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG genügt.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; SGB VI § 2 S. 1 Nr. 9, § 229a Abs. 1, § 231 Abs. 5-6; SGB X § 27 Abs. 1; HGB § 84 Abs. 1; BGB § 662; SGG §§ 86, 96

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. November 2005 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 28. November 2006 wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Verfahren vor dem Landessozialgericht nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem für ihn Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) für Selbstständige mit nur einem Auftraggeber festgestellt wurde, und begehrt hilfsweise die Befreiung von der Versicherungspflicht.

Der 1946 geborene Kläger ist selbstständiger Handelsvertreter. Am 09. November 1981 schloss er mit der D. (AG (im Folgenden: D..) einen Vertretungsvertrag. Unter Punkt 3) verpflichtete sich der Kläger, ausschließlich für die D. und die mit ihr verbundenen Unternehmen D.-AG sowie D.. -GmbH tätig zu sein. In Punkt 10) ist geregelt, dass der Vertreter, also hier der Kläger, nur für die D. und die mit ihr verbundenen Unternehmen unmittelbar oder mittelbar tätig sein darf; er darf demzufolge in dieser Zeit keine andere Berufstätigkeit ausüben. Zuwiderhandlungen gegen diese Verpflichtungen berechtigen die D. zur fristlosen Kündigung des Vertretungsvertrages. Unter Punkt 18) heißt es: “Die Bestimmungen des Vertrages gelten - auch soweit nicht ausdrücklich erwähnt - sinngemäß hinsichtlich der Tätigkeit des Vertreters für die mit der D. verbundenen Unternehmen. Mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses zur D. erlischt zugleich auch das Vertragsverhältnis zu den mit der D. verbundenen Unternehmen, ohne dass es einer Kündigung bedarf".

Die D. gehört inzwischen zur 1997 gegründeten E-AG, deren Großaktionär laut ihrem Internetauftritt (www….com) die M ist, die 94,7% der E-Aktien hält. Zu dem Unternehmen gehören die D. die D, die H, die V, die K, die M Gesellschaft sowie weitere Firmen.

Anlässlich einer Betriebsprüfung bei der D. in der Zeit vom 09. Oktober 2000 bis 13. Oktober 2000 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger nicht in einem Beschäftigungsverhältnis gemäß § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) stehe. Dies wurde der D. mit Bescheid vom 18. Juni 2001 mitgeteilt.

Mit Schreiben vom 29. November 2001 informierte die Beklagte den Kläger darüber, dass unter Umständen bei ihm Versicherungspflicht als Selbstständiger vorliege. Sie verwies auf anliegende Informationsblätter. Sie forderte den Kläger auf, den beigefügten Fragebogen bezüglich der Versicherungspflicht vollständig ausgefüllt innerhalb von vier Wochen zurückzusenden. Als dieser trotz Erinnerung nicht einging, erteilte die Beklagte am 05. April 2002einen Bescheid, mit dem sie Versicherungspflicht für den Kläger ab 01. Januar 1999 nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI feststellte. Als Monatsbeitrag setzte sie den Regelbeitrag fest und forderte von dem Kläger für die Zeit von Januar 1999 bis 30. April 2002 Pflichtbeiträge in Höhe von insgesamt 17.676,93 €.

Mit am 12. April 2002 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 11. April 2002 bestätigte der Kläger den Erhalt des Bescheides vom 05. April 2002 und teilte mit, dass er seit Oktober 1981 als freiberuflicher und selbstständiger Handelsvertreter tätig sei und sich nicht in einem versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis befinde. Den Bescheid vom 05. April 2002 sandte er “zu se...

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