Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenkasse. Sozialhilfeträger. Kostenerstattung. Leistungen zur Krankenbehandlung
Orientierungssatz
Zu den Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach § 105 Abs 1 S 1 SGB 10.
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. Juli 2011 wird abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 31 102,95 Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert beträgt 31 102,90 Euro.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die beklagte Krankenkasse dem Kläger als Sozialhilfeträger Kosten erstatten muss.
Der mittlerweile verstorbene Herr K P (P) hatte bis Ende 2004 Arbeitslosenhilfe bezogen und war bei der Beklagten pflichtversichert. Ab 01. Januar 2005 bezog er vom Kläger neben einer Altersrente Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SBG XII). Er beantragte bei der Beklagten die freiwillige Mitgliedschaft und wurde von dieser zunächst freiwillig versichert. Ausweislich eines Vermerkes stellte der Kläger im Juli 2007 fest, dass versäumt wurde, die Krankenversicherung der getrennt lebenden Ehefrau zu ermitteln. Das Jobcenter N teilte ihm mit Schreiben vom 11. Juli 2007 mit, dass die Ehefrau seit 01. Januar 2005 Arbeitslosengeld II beziehe und pflichtversichert beim Beklagten sei. Der ebenfalls angesprochene P meldete sich daraufhin schriftlich bei der Beklagten als Ehemann zur Familienversicherung an. Die Beklagte übersandte ihm eine Versichertenkarte für Familienversicherte. Auf entsprechende Nachfrage teilte die Beklagte dem Kläger unter dem 30. Januar 2008 mit, dass die Familienversicherung seit dem 16. Juni 2005 bestehe. Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 19. Februar 2008 auf, die Familienversicherung zumindest ab 01. Januar 2005 zu eröffnen: Die Beklagte habe es im Zusammenhang mit dem Antrag des P auf freiwilliger Versicherung 2005 versäumt, den vorrangigen Anspruch auf Familienversicherung zu prüfen. Weil die Ehefrau bei der Beklagten versichert sei, habe dieser der vorrangige Anspruch auf eine Familienversicherung bekannt sein müssen. Dem P hingegen sei die Möglichkeit der beitragsfreien Familienversicherung nicht bekannt gewesen. Dem Kläger selbst sei die Mitgliedschaft der Ehefrau bei der Beklagten ebenfalls unbekannt gewesen. Er forderte die Beklagte zur Rückerstattung geleisteter Beiträge in Höhe von 866,74 Euro für den Zeitraum 01. Januar 2005 bis 31. Juli 2005 auf und machte ferner mit Schreiben vom 30. Juli 2008 gegenüber der Beklagten den hier streitgegenständlichen Erstattungsanspruch über insgesamt 31 254,81 Euro geltend. Hinsichtlich der genauen Kosten, welche er der mit der Durchführung der Krankenversicherung beauftragten AOK Berlin ersetzt hatte, wird auf Bl. 83 Band III des Verwaltungsvorgangs (VV) des Klägers verwiesen.
Dieser hatte insbesondere der AOK Berlin 23 291,98 Euro für eine stationäre Behandlung im Quartal 2005/IV erstattet. Als zeitlich letzte Zahlung für eine konkret abgerechnete Leistung an P (außer Pauschalen) enthält die Tabelle einen Betrag von 41,35 Euro für Zahnersatz im Quartal 2007/III. Die dazugehörige Einzelaufstellung (VV Band III Bl. 89) weist den Betrag als Reparatur Zahnersatz, geleistet 2/2007 aus.
Der Kläger hatte der AOK auch quartalsweise sogenannte Kopfpauschalen gezahlt, letztmals für das Quartal 2007/IV 121,89 Euro Kopfpauschale Arzt sowie 22,74 Euro Kopfpauschale Zahnarzt.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 15. August 2008 mit, dass der P rückwirkend zum 01. Januar 2005 in die Familienversicherung seiner Ehefrau aufgenommen worden sei. Sie erstattete Beiträge in Höhe von 866,74 Euro zurück, lehnte aber die Anerkennung des geforderten Erstattungsanspruches ab, da die Ausschlussfrist des § 111 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) Anwendung finde.
Der Kläger hat am 21. April 2009 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat er sein vorgerichtliches Vorbringen wiederholt. Folgte man der Argumentation der Beklagten, würden letztlich die Folgen einer falschen bzw. fehlerhaften Beratung des Versicherten zu Lasten des Klägers und damit der Allgemeinheit gehen. Die Beklagte müsse jedoch für die fehlerhafte Beratung und die sich daraus ergebenden Erstattungskosten selbst einstehen. Die Beklagte hätte P bereits zum 01. Januar 2005 in die Familienversicherung aufnehmen müssen.
Die Beklagte hat ebenfalls ihr vorgerichtliches Vorbringen wiederholt. Entscheidungsunerheblich sei, ob der Versicherte einen etwaigen Anspruch aufgrund fehlerhafter Beratung gehabt habe. Der hiesige Senat habe sich in seinem Urteil vom 24. Februar 2006 (L 1 KR 20/04) lediglich mit einem Anspruch des Versicherten gegenüber der Krankenkasse beschäftigt.
Im Verhandlungstermin am 27. Mai 2011 hat die Vorsitzende darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in Fällen des Rechtsmissbrauch...