Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzgeldanspruch. Insolvenzereignis. vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit. offensichtliche Masselosigkeit
Orientierungssatz
1. Der Insolvenztatbestand des § 183 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 3 erfordert, dass die Masselosigkeit im Zeitpunkt der Betriebseinstellung vorliegt, also vorher oder gleichzeitig eingetreten ist.
2. Ausreichend und erforderlich für die Feststellung bzw den Nachweis der offensichtlichen Masselosigkeit iS des § 183 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 3 ist der sich aus den äußeren Tatsachen ergebende Eindruck eines unvoreingenommenen Betrachters von der Masselosigkeit, dh wenn alle äußeren Tatsachen (und insofern der Anschein) für Masseunzulänglichkeit sprechen (vgl BSG vom 4.3.1999 - B 11/10 AL 3/98 R = DBlR 4524, AFG/§ 141e).
3. Für die offensichtliche Masselosigkeit reicht es nicht aus, wenn ein Arbeitgeber Schulden in großer Höhe gemacht und sich ins Ausland abgesetzt hat, ohne diese zu begleichen. Es ist nicht gerechtfertigt, die Zahlungsunwilligkeit mit Zahlungsunfähigkeit gleichzusetzen. Die Beweislast für das Vorliegen des Anscheins der offensichtlichen Masselosigkeit trägt der Antragsteller (vgl BSG vom 22.9.1993 - 10 RAr 9/91 = SozR 3-4100 § 141b Nr 7).
Tenor
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 10. März 2004 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch des Klägers auf Insolvenzgeld (InsG) streitig.
Der 1957 geborene Kläger ist gelernter Dachdecker. Er war ab dem 1. Oktober 1998 bei der Dachdeckerei R S in B, Ortsteil E, G Straße , beschäftigt. Die Gewerbeanmeldung des Betriebes erfolgte am 30. Juni 1998, die Anmeldung der Firma zum Handelsregister wurde zurückgewiesen.
Inhaber dieser Firma war Herr R S. Er hatte seinen Wohnsitz zunächst in S, B Straße . Dieser Wohnsitz wurde von Amts wegen abgemeldet. Im Jahre 1999 verzog er nach R S in S zu seiner damaligen Lebensgefährtin, der Zeugin S. Er meldete sich von dort am 5. Januar 2001 ab nach K, G Str. (dem Wohnsitz seiner Eltern), jedoch ohne sich in K erneut amtlich anzumelden. Nach Angaben des Ermittlungsdienstes K verzog Herr S nach S, sein derzeitiger Aufenthaltsort ist nicht zu ermitteln.
Eine Nachschau des zuständigen Gewerbeamtes am 21. Februar 2000 hatte ergeben, dass für die Firma zu diesem Zeitpunkt noch ein Büro bestand und ein Briefkasten vorhanden war. Ausweislich des Protokolls des Gewerbeamtes sei nach Auskunft des Vermieters der Büroräume Herr S dort seit Monaten nicht gesehen worden, er leere nur gelegentlich den Briefkasten. Die Firma wurde deshalb am 13. Februar 2001 wegen vollständiger Aufgabe des gesamten Betriebes mit Wirkung zum 31. Dezember 2000 von Amtswegen abgemeldet. Das Landratsamt K untersagte Herrn S ab dem 3. Mai 2000 jede Art von Gewerbetätigkeit.
Gegen die Firma bestehen erhebliche finanzielle Forderungen, unter anderem wegen nicht abgeführter Sozialabgaben, offener Lieferantenforderungen sowie Lohnrückständen weiterer vier ehemaliger Mitarbeiter. Mehrere Zwangsvollstreckungsversuche von Gläubigern verliefen fruchtlos. Bei einem Vollstreckungsversuch der AOK S am 10. September 1999 in den Geschäftsräumen der Firma (in der G Straße ) in B durch den beauftragten Gerichtsvollzieher wegen nicht abgeführter Sozialversicherungsbeiträge gab Herr S an, über kein nennenswertes Vermögen zu verfügen, gegen ihn bestünden jedoch fällige Forderungen in Höhe von 30.000 DM.
Der ehemalige Arbeitnehmer des Herrn S, Herr A T, arbeitete in der Dachdeckerei bis zum 28. November 1999. Er erhielt nach eigenen Angaben seinen Lohn bis einschließlich September 1999, nicht jedoch für die Monate Oktober und November 1999. Nach Angaben des Klägers arbeitete der ehemalige (inzwischen verstorbene) Arbeitnehmer K bis November 1999 in der Dachdeckerei und nahm im Dezember 1999 seinen Resturlaub für das Jahr 1999.
Am 19. Dezember 2000 erließ das Amtsgericht Senftenberg gegen Herrn S einen Haftbefehl zur Erzwingung einer eidesstattlichen Versicherung gem. § 807 Zivilprozessordnung -ZPO-, weil dieser zum Termin zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung am 30. November 2000 nicht erschienen war.
Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Dachdeckerei S zum 18. August 1999 fristlos wegen ausstehenden Lohnes. Das Arbeitsgericht Bautzen verurteilte Herrn R S durch Versäumnisurteil vom 13. Dezember 2000 (Az.: ) zur Zahlung von Restlohn in Höhe von insgesamt DM 6.452,83 zuzüglich Zinsen.
Am 20. Dezember 1999 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Insolvenzgeld. In seinem Antrag gab er an, für die Monate Mai 1999 bis August 1999 noch Anspruch auf Restlohnzahlung gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber R S zu haben (Nettoarbeitsentgelt Mai 624,06 DM, Juni 624,06 DM, Juli 2.156,56 DM und August 1.297,12 DM). Die Beklagte forderte Herrn S daraufhin mehrfach schriftlich - erfolglos - auf, Angaben zur Beendigung der Betriebstätig...