Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialgerichtliches Verfahren. Beteiligte. subjektive Klagehäufung. Klageänderung. Arbeitslosengeld II. befristeter Zuschlag nach Arbeitslosengeldbezug. Ermittlung des Unterschiedsbetrages bei Bedarfsgemeinschaft. Begrenzung auf den Höchstbetrag und Verteilung auf die Mitglieder sowie Verminderung
Orientierungssatz
1. Das SGB 2 kennt keinen Anspruch der Bedarfsgemeinschaft, sondern - trotz der Regelungen in §§ 7, 9 und 38 SGB 2 - nur individuelle Ansprüche der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft.
2. Regelt der (Widerspruchs-)Bescheid des Grundsicherungsträgers auch, in welchem Umfang Ansprüche anderer Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft bestehen, und ist ihm noch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, wer die Inhalts-Adressaten der im Bescheid verlautbarten Verwaltungsakte sind, so handelt es sich in der Sache um eine erkennbare Zusammenfassung mehrerer, an verschiedene Personen gerichteter Verwaltungsakte in einem Bescheid, auch wenn der Bescheid nicht an die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gerichtet und nur dem vermuteten Vertreter der Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft bekanntgegeben wurde.
3. Der Umstand, dass äußerlich eindeutig - auch in den Klageanträgen - nur der Vertreter der Bedarfsgemeinschaft als Beteiligter bezeichnet wurde, hindert die am erkennbaren Willen orientierte Auslegung dahingehend nicht, dass mit der Klage die Einzelansprüche der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verfolgt werden sollen. Da die subjektive Klagehäufung insofern bereits bei Klageerhebung besteht, liegt keine an den Grundsätzen des § 99 SGG zu messende Klageänderung im Berufungsverfahren vor.
4. Bei einer Arbeitsgemeinschaft, die nach § 44b SGB 2 durch öffentlichen Vertrag gegründet wurde und keine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts ist, kann die Beteiligtenfähigkeit aus § 70 Nr 2 SGG hergeleitet werden. Teilrechtsfähigkeit ist aufgrund der Regelungen in § 44b Abs 3 SGB 2 gegeben.
5. Bei der Ermittlung des Unterschiedsbetrages nach § 24 Abs 2 SGB 2 zwischen dem zuvor bezogenen Arbeitslosengeld nach dem SGB 3 sowie dem Wohngeld einerseits und dem von der Bedarfsgemeinschaft bezogenen Arbeitslosengeld II bzw Sozialgeld andererseits ist auf die Summe des Arbeitslosengeldes nach SGB 3 abzustellen, wenn dies von (mindestens) zwei Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft bezogen worden ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn für beide Mitglieder der Bezug von Arbeitslosengeld nach dem SGB 3 gleichzeitig oder zumindest vor Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II geendet hat.
6. Der Unterschiedsbetrag (zwei Drittel) für die Bedarfsgemeinschaft ist unter Berücksichtigung der Begrenzung nach § 24 Abs 3 Nr 2 SGB 2 auf den Höchstbetrag zu reduzieren, dann hälftig auf die beiden Partner zu verteilen und anschließend ggf für die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nach § 24 Abs 1 S 2 SGB 2 um 50 vH zu vermindern.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 08. Dezember 2005 wird mit der folgenden Maßgabe zurückgewiesen: Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 16. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2005 verurteilt, der Klägerin zu 1) vom 01. Januar 2005 bis zum 31. Januar 2005 einen Zuschlag in Höhe von 80,00 EUR und vom 1. Februar 2005 bis zum 22. Februar 2005 einen Zuschlag in Höhe von 59,00 EUR und für den Kläger zu 2) einen monatlichen Zuschlag vom 01. Januar 2005 bis zum 31. März 2005 von je 160,00 EUR zu gewähren. Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung eines Zuschlags nach § 24 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in der Fassung des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 (BGBl I 2954 ; im Folgenden ohne Zusatz zitiert) an die Klägerin zu 1 für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 22. Februar 2005 und an den Kläger zu 2 für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 31. März 2005.
Die im geborene Klägerin zu 1 und der im geborene Kläger zu 2 sind seit 1977 verheiratet. Die Klägerin zu 1 bezog bis zur Erschöpfung ihres bescheidmäßig zuerkannten Anspruches am 22. Februar 2003 Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 683,11 EUR (wöchentlichen Leistungssatz von 157,64 EUR x 13 : 3; Änderungsbescheid vom 18. Januar 2003), während der ebenfalls bescheidmäßig zuerkannte Arbeitslosengeldanspruch des Klägers zu 2 erst am 14. September 2004 auslief und zuletzt monatlich 690,99 EUR (wöchentlich Leistungssatz 159,46 EUR x 13 : 3; undatierter Änderungsbescheid von Januar 2004) betrug. Wohngeld erhielten beide nicht.
Die Kläger sind zu gleichen Teilen Miteigentümer eines Hausgrundstücks im Landkreis Potsdam-Mittelmark. Die Grundstücksfläche beträgt 747 m², die Wohnfläche des selbst bewohnten Hauses hingegen 91,51 m². Bis zum 27. Januar 2005 wohnte in dem Haus auch der am geborene Sohn der Kläg...