Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung: Rente wegen Berufsunfähigkeit. zumutbare Verweisungstätigkeit für einen an einer staatlichen Ballettschule ausgebildeten Bühnentänzer

 

Orientierungssatz

Bei einem als schulpflichtiger Jugendlicher auf einer Fachschule ausgebildeten Bühnentänzer (hier: Staatliche Ballettschule), der aufgrund einer Erkrankung den Beruf des Tänzers dauerhaft nicht mehr ausüben kann, ist die im Rahmen einer Prüfung der Berufsunfähigkeit vorzunehmende Beurteilung einer sozial zumutbaren Erwerbstätigkeit als Verweisungstätigkeit an der Stufe eines Fach-Angestellten zu orientieren. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Betroffene überwiegend als Gruppentänzer tätig war, zudem keine zusätzliche Qualifikation erworben wurde und vor Eintritt der geltend gemachten Berufsunfähigkeit auch keine höherwertige Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wurde. Als Verweisungstätigkeit kommt dabei auch die Tätigkeit in einer Registratur nach der Entgeltgruppe 3 TvöD in Betracht.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 16. Dezember 2008 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind für das gesamte gerichtliche Verfahren erster und zweiter Instanz nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Der 1955 geborene Kläger absolvierte eine Ausbildung an der Staatlichen Ballettschule B, die er mit 17 Jahren am 28. Juni 1972 mit dem Abschluss “Bühnentänzer„ beendete. Anschließend arbeitete er vom 01. August 1972 bis zum 31. Juli 1976 als Tänzer am Nationaltheater in W und vom 01. August 1976 bis zum 31. Juli 1983 als Gruppentänzer an der D Staatsoper in B. Bereits während seiner Zeit als Tänzer in W hatte er Probleme mit den Kniegelenken, was u. a. zu Kniegelenkspunktionen führte. Ab dem 01. August 1983 war er als Tänzer (Solo mit Gruppe) am M-Theater in B beschäftigt. Ab dem 05. Mai 1986 wurde er wegen anhaltender Kniegelenksprobleme nur noch auf einem Schonarbeitsplatz (als Schließer) eingesetzt. Am 14. September 1986 endete sein Engagement als Tänzer am M-Theater. Unter dem 27. März 1986 empfahl die Arbeitshygieneinspektion des Magistrats von B der BGL die bei dem Kläger bestehende Chondropathie beider Kniegelenke ab März 1985 mit einem Körperschaden von 20% als Berufskrankheit (BK) nach Ziffer 71 der Liste zur Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von BKen anzuerkennen. Dem lag ein Erstgutachten vom 21. Februar 1986 zugrunde. In der Folge gewährte der FDGB dem Kläger mit Bescheid vom 16. Mai 1986 ab dem 01. März 1985 eine Unfallrente nach einem Körperschaden von 20%. Diese Rente wird bis heute von der Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution (BGHW) weiter geleistet (Nachgutachten vom 22. Mai 1996 und 05. Oktober 2001). Vom 15. September 1986 bis zum 31. Dezember 1991 bezog der Kläger darüber hinaus eine berufsbezogene Zuwendung nach der Anordnung über die Gewährung einer berufsbezogenen Zuwendung an Ballettmitglieder in staatlichen Einrichtungen der DDR vom 01. Juli 1983.

Nach seiner Tätigkeit als Tänzer arbeitete der Kläger zunächst ab dem 15. September 1986 als leitender Mitarbeiter Veranstaltungsorganisation bei der Kulturdirektion B (bis zum 31. Oktober 1986), dann als Hausmeister bei der Krippenvereinigung B (vom 01. November 1986 bis zum 08. August 1988). Anschließend arbeitete er auf Honorarbasis u. a. als Kleindarsteller bei der DEFA. Im Jahr 1990 wurde er arbeitslos. Kurzzeitig nahm er im November 1990 an einer ABM-Maßnahme als Sportlehrer teil. Vom 04. Dezember 1990 bis zum 28. Februar 1991 absolvierte er eine Umschulung zum Industriekaufmann, die er jedoch abbrach. Ab dem 01. März 1991 bis zum 31. Mai 1994 war er als Vorarbeiter (so die Angabe gegenüber der BG am 03. April 1992) oder Personalleiter/Disponent in einer Glas- und Gebäudereinigungsfirma - Firma F B Hausservice - beschäftigt. Zum 01. Juni 1995 machte er sich als Immobilienmakler für Einfamilienhäuser und Baugrundstücke auf Provisionsbasis selbständig, wobei er über eine Zulassung nach § 34c Gewerbeordnung (GewO) verfügte und zunächst in Bürogemeinschaft mit der Firma F Immobilien arbeitete. 1997 gründete er sein eigenes Büro und verließ die Firma F Immobilien. Die Tätigkeit als Immobilienmakler gab er zum 31. Oktober 2001 aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten auf. Seither übt er nach Aktenlage keine berufliche Tätigkeit mehr aus.

Am 23. November 2000 beantragte der Kläger die Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitsrente unter Verweis darauf, dass er seit 1986 seinen erlernten Beruf als Balletttänzer nicht mehr ausüben könne. Im Rahmen ihrer Ermittlungen veranlasste die Beklagte u. a. eine Untersuchung und Begutachtung des Klägers durch den Orthopäden F. In dem Gutachten vom 05. April 2001 (Untersuchung des Klägers am 12. März 2001) gelangte dieser zu der Auffassung, der Kläger könne aufgrund einer Chondropathia patellae beidseits mit wiederkehrenden Reizzuständen, ein...

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