Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Bewilligung eines Gründungszuschusses

 

Orientierungssatz

1. Der Gründungszuschuss des § 93 SGB 3 wird nicht rückwirkend erbracht. Voraussetzung des Leistungsanspruchs ist u. a., dass der Antrag vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses gestellt ist. Leistungsbegründendes Ereignis ist regelmäßig dasjenige, welches den Leistungsbedarf auslöst.

2. Der Gründungszuschuss dient der möglichst frühzeitigen Reintegration des Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt. Es gilt der Vorrang der Vermittlung in ein Beschäftigungsverhältnis. Der Zuschuss kann nur dann gewährt werden, wenn er für die dauerhafte Eingliederung erforderlich ist. Er ist nur dann zu bewilligen, wenn die Vermittlung voraussichtlich nicht zu einer dauerhaften Eingliederung in den Arbeitsmarkt führen würde, sodass die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit geboten ist.

 

Normenkette

SGB III §§ 93, 324 Abs. 1 Sätze 1-2, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 2, § 140 Abs. 1

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Mai 2015 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Neubescheidung seines Antrags auf Gewährung eines Gründungszuschusses (GZ) nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) - Arbeitsförderung -.

Der 1976 geborene Kläger erlernte den Beruf des Friseurs, den er bis 2011 in G und sodann in D in verschiedenen abhängigen Beschäftigungen ausübte. Im Oktober 2010 legte er die Meisterprüfung im Friseurhandwerk ab (Teilprüfungszeugnisse über das Bestehen der Meisterprüfung im Friseurhandwerk vom 26. bzw. 29. Oktober 2010). Die Beklagte bewilligte ihm antragsgemäß ab 1. März 2012 für ein Jahr Arbeitslosengeld (Alg). Im Zuge eines Beratungsgesprächs am 27. Februar 2012 teilte ihm die Beklagte mit, die Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit (Übernahme eines bestehenden Friseurgeschäfts) sei ausgeschlossen, da der Arbeitsmarkt für Friseure und Friseurmeister sehr gut sei. Am 8. März 2012 meldete der Kläger ein Friseurgewerbe an und schloss am 21. März 2012 einen auf ein Jahr befristeten Mietvertrag für die Zeit ab 1. April 2012 zum Betrieb eines Friseurgeschäfts (27,50 qm für 452,20 € bruttowarm); er entrichtete die am 23. März 2012 fällige Grundkaution in Höhe von 2.260 € und zahlte am 28. März 2012 einen Betrag in Höhe von 1.487,50 € für Wasser- und Elektroinstallationen im Friseursalon.

Am 10. Mai 2012 gingen bei der Beklagten die vom Kläger mit Datum vom 7. Mai 2012 unterzeichneten Formanträge auf Gewährung eines GZ zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ein, mit denen der Kläger angab, am 2. April 2012 eine selbständige, hauptberufliche Tätigkeit als Friseur aufzunehmen. Beigefügt war dem Antrag eine Stellungnahme der Handwerkskammer B vom 7. Mai 2012.

Die Beklagte übersandte dem Kläger fünf Stellenangebote in Bezug auf abhängige Beschäftigungen als Friseur bzw. Friseurmeister und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 23. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2012 ab. Der Kläger erfülle zwar die Tatbestandsvoraussetzungen für einen GZ. Im Rahmen der Ermessensausübung sei berücksichtigt worden, dass auf dem für den Kläger in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ausreichende Integrationsmöglichkeiten in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung beständen, so dass die Arbeitslosigkeit auch ohne die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit hätte beendet werden können. Derzeit seien mindestens sechs Stellen in B für Friesurmeister ausgeschrieben. Auf die dem Kläger im Zeitraum von einem Monat angebotenen fünf Stellen habe er sich nicht beworben. Bereits im Erstgespräch habe er angegeben, sich selbständig machen zu wollen.

Mit seiner Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) hat der Kläger zunächst die Zahlung eines GZ für sechs Monate ab 1. April 2012 in Höhe von 912,30 € begehrt, sein Begehren in der mündlichen Verhandlung aber auf eine Neubescheidung des Antrags auf GZ beschränkt.

Das SG hat mit Urteil vom 12. Mai 2015 den Bescheid vom 23. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2012 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Antrag des Klägers auf Zahlung eines GZ ab April 2012 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Beklagte habe ihr Ermessen nicht bzw. jedenfalls fehlerhaft ausgeübt. Sie habe ohne jede Einzelfallprüfung die Förderung pauschal unter Hinweis auf den Vermittlungsvorrang abgelehnt. Dies entspreche jedoch nicht Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Denn die Förderung tragfähiger Existenzgründungen stelle durchaus eine Alternative zu einer Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt dar.

Mit ihrer Berufung vom 15. Juli 2015 macht die Beklagte geltend, der Kläger hätte voraussichtlich auch ohne Förderung der selbständigen Tätigkeit, die er im Übrigen bereits im Zeitpunkt seiner Vorsprache am 27. Februar 2012 geplan...

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