Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzlicher Ausschluss der Pflicht zur Benennung einer Verweisungstätigkeit bei einem sechsstündigen Leistungsvermögen ohne besondere qualitative Einschränkungen
Orientierungssatz
1. Erwerbsgemindert i. S. von § 43 SGB 6 ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
2. Damit ist entscheidend, ob der Versicherte mit dem verbliebenen Restleistungsvermögen in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein. Dies setzt voraus, dass es solche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt überhaupt gibt. Nicht entscheidend ist, ob der Versicherte eine konkrete Arbeitsstelle tatsächlich auch findet.
3. Erst dann, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere Leistungsbehinderung vorliegt, besteht die Pflicht zur Benennung einer Verweisungstätigkeit.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 29. Juni 2010 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1964 geborene Klägerin war nach ihrer Ausbildung zur Facharbeiterin für Mikroelektronik in verschiedenen Berufen, so als Lagerverwalterin, Bürokraft, Reinigungskraft und Hauskrankenpflegerin, tätig. Zuletzt war sie von Mai 2001 bis Januar 2003 als Einzelhandelskauffrau beschäftigt. Anschließend war sie arbeitsunfähig krank geschrieben bzw. arbeitslos. August 2006 wurde bei ihr ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt.
Den Rentenantrag der Klägerin vom 23. Juli 2004 lehnte die Beklagte auf der Grundlage des Gutachtens der Fachärztin für Chirurgie Dr. B vom 24. November 2004 und des psychiatrischen Zusatzgutachtens der Fachärztin für Psychiatrie W durch Bescheid vom 20. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2005 mit der Begründung ab, dass weder volle noch teilweise Erwerbsminderung bestehe. Die ihr 2005 bewilligte stationäre Rehabilitation brach die Kläger ab.
Mit der Klage bei dem Sozialgericht Potsdam hat die Klägerin eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung begeht.
Das Sozialgericht hat neben dem Befundbericht der Fachärztin für Innere Medizin Dr. B vom 29. Oktober 2006 die Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. F vom 8. März 2007 mit ergänzender Stellungnahme vom 21. August 2008, des Facharztes für Orthopädie und Chirurgie Dr. T vom 28. April 2009 und des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. C vom 1. Februar 2010 eingeholt.
Mit Urteil vom 29. Juni 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei nicht erwerbsgemindert. Denn ein Absinken ihrer beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich lasse sich aus der Gesamtwürdigung der eingeholten Gutachten nicht begründen. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen liege bei der Klägerin nicht vor.
Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Sie ist der Auffassung, dass ihr gesundheitlicher Zustand keineswegs eine Tätigkeit von sechs Stunden täglich zulasse. Ihre Leistungsfähigkeit sei nicht allein aus orthopädischer Sicht zu beurteilen, da die Funktionseinschränkungen im Bewegungsapparat nicht im Vordergrund stünden. Sie leide an schweren Depressionen, die sich im Lauf der Jahre verstärkt hätten.
Das Landessozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung des Gutachtens des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. A vom 11. Oktober 2012.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 29. Juni 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2005 zu verurteilen, ihr ab dem 1. August 2004 Rente auf Dauer wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren,
hilfsweise,
durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens Beweis darüber zu erheben, ob die Klägerin die medizinischen Voraussetzungen für die Ausübung einer Tätigkeit einer sogenannten einfachen Pförtnerin erfüllt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 20. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2005 ist re...