Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Syndikusrechtsanwalt. rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht. Zahlung von Mindestbeiträgen
Orientierungssatz
Auch gezahlte Mindestbeiträge gelten als einkommensbezogene Pflichtbeiträge iS des § 231 Abs 4b S 4 SGB 6 (vgl BVerfG vom 19.7.2016 - 1 BvR 2584/14 = juris RdNr 16).
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 19. März 2018 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist als Rechtsanwalt seit dem 14. Dezember 1999 kraft Gesetzes Mitglied des Versorgungswerkes der Rechtsanwälte in Berlin (VWR-B). Im September 2013 beantragte er für seine am 1. Oktober 2013 beginnende Tätigkeit als Geschäftsführer der V B H GmbH (VBH) bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - [SGB VI]). Auf den Geschäftsführerdienstvertrag vom 5. April 2013 wird Bezug genommen. Mit Schreiben vom 2. Januar 2014 wies das VWR-B den Kläger unter Übersendung des Beitragsbescheides vom selben Tag darauf hin, dass er mangels einer Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht ab 1. Oktober 2013 (nur) den Mindestbeitrag nach § 30 Abs. 1 der Satzung des VWR-B in Höhe von einem Zehntel des höchsten Beitrags in der allgemeinen Rentenversicherung zu zahlen habe. Sofern eine Befreiung noch erfolge, werde der Beitragsbescheid von Amts wegen aufgehoben und die Beitragspflicht richte sich nach § 30 Abs. 7 der Satzung (Beitragszahlung aus Anstellung). Im 3. Quartal 2013 entrichtete der Kläger die im Beitragsbescheid festgesetzten monatlichen Mindestbeiträge in Höhe von (iHv) 109,62 €. Im 1. Quartal 2014 leistete er entsprechend der Anpassungsmitteilung des VWR-B vom 8. Januar 2014 monatliche Mindestbeiträge iHv 112, 46 €.
Mit Bescheid vom 13. Dezember 2013, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 17. April 2015, lehnte die Beklagte den Befreiungsantrag ab. Dagegen erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht (SG) Berlin (Aktenzeichen: S 97 R 2303/15 = S 97 R 2900/16 WA). Dieses Verfahren ist noch anhängig.
Im März 2016 beantragte der Kläger für seine Tätigkeit als Geschäftsführer der VBH bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung als Syndikusrechtsanwalt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Gleichzeitig stellte der Kläger einen Antrag auf rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 231 Abs. 4b SGB VI) und einen Antrag auf Erstattung zur Unrecht gezahlter Pflichtbeiträge an die berufsständige Versorgungseinrichtung. Mit Bescheid vom 11. Oktober 2016 ließ die Rechtsanwaltskammer Berlin den Kläger für sein Arbeitsverhältnis mit der VBH als Syndikusrechtsanwalt zu. Mit Bescheid vom 24. November 2016 befreite die Beklagte den Kläger für seine Tätigkeit bei der VBH von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ab 19. Oktober 2016.
Mit Bescheid vom 21. Dezember 2016 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die während der Zeit vom 1. Oktober 2013 bis 31. März 2014 ausgeübte Beschäftigung als Geschäftsführer der VBH ab, denn der Kläger habe in diesem Zeitraum keine einkommensbezogenen Pflichtbeiträge an ein berufsständiges Versorgungswerk gezahlt, wie es § 231 Abs. 4b SGB VI vorschreibe.
Mit Bescheid vom 22. Dezember 2016 befreite die Beklagte den Kläger für seine Tätigkeit bei der VBH von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung rückwirkend für die Zeit vom 1. April 2014 bis 18. Oktober 2016.
Der gegen den Bescheid vom 21. Dezember 2016 erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 3. April 2017 zurückgewiesen.
Auf die hiergegen erhobene Klage hat das SG Berlin mit Gerichtsbescheid vom 19. März 2018 die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 21. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. April 2017 verurteilt, den Kläger für die Zeit vom 1. Oktober 2013 bis zum 31. März 2014 von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs. 4b SGB VI für die Beschäftigung bei der VBH zu befreien. Zur Begründung ist ausgeführt: Die zulässige Klage sei begründet. Der Kläger habe einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 231 Abs. 4b SGB VI für den Zeitraum vom 1. Oktober 2013 bis 31. März 2014. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, die unter Berücksichtigung der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) in der ab 1. Januar 2016 geltenden Fassung oder der Patentanwaltsordnung in der ab 1. Januar 2016 geltenden Fassung erteilt worden sei, wirke gemäß § 231 Abs. 4b SGB VI auf Antrag vom Begin...