Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht: Voraussetzung der Annahme einer mittelgradigen sozialen Anpassungsstörung als Folge psychischer Beeinträchtigungen. Voraussetzung der Zuerkennung eines Merkzeichens für Bewegungseinschränkungen im Straßenverkehr bei einem Wirbelsäulenleiden
Orientierungssatz
1. Für die Annahme einer mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeit, die mit einem Einzel-GdB zwischen 50 und 70 zu bewerten ist, genügt allein eine berufliche Betroffenheit im Sinne einer beruflichen Gefährdung noch nicht. Vielmehr müssen Auswirkungen in anderen sozialen Bereichen hinzutreten.
2. Einzelfall zur Beurteilung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Erteilung des Merkzeichens “G„ bei einer Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 30. August 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 70 sowie die Zuerkennung des Merkzeichens “G„ (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr).
Die 1956 geborene und aus S stammende Klägerin ist verheiratet und bewohnt zusammen mit ihrem Ehemann sowie 3 von 4 Kindern eine Wohnung in B. Bis 1998 war sie als Raumpflegerin tätig.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 25. August 2004 stellte der Beklagte zuletzt einen GdB von 40 aufgrund folgender Funktionsbeeinträchtigungen fest:
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Funktionsminderung der Wirbelsäule und Gliedmaßen (Einzel-GdB 30), |
psychische Störung mit Somatisierungstendenz (Einzel-GdB 20), |
Leberleiden und chronisches Magenleiden (Einzel-GdB 10), |
Zuckerkrankheit mit Diät und oralen Antidiabetika einstellbar (Einzel-GdB 10), |
Bluthochdruck bei Adipositas, metabolisches Syndrom (Einzel-GdB 10), |
Schilddrüsenleiden (Einzel-GdB 10). |
Auf den Verschlimmerungsantrag der Klägerin vom 26. Februar 2007, mit dem sie die Feststellung eines höheren GdB sowie die Zuerkennung der Merkzeichen “G„ und “B„ (Notwendigkeit ständiger Begleitung) begehrte, ließ der Beklagte die Klägerin begutachten. Die mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragte Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie G gelangte nach körperlicher Untersuchung der Klägerin vom 02. April 2008 in ihrem Gutachten von demselben Tag zu der Einschätzung, dass der Gesamt-GdB mit 50 zu bewerten sei. Die psychische Störung sei als stärker behindernde Störung mit einem Einzel-GdB von 40, die Funktionsminderung der Wirbelsäule und Gliedmaßen mit einem Einzel-GdB von 30 und die übrigen bereits bekannten Leiden mit einem Einzel-GdB von jeweils 10 zu bewerten. Dieser Einschätzung folgend stellte der Beklagte mit Bescheid vom 16. Mai 2008 einen Gesamt-GdB von 50 fest und wies das Begehren im Übrigen auch auf die Zuerkennung der Merkzeichen “G„ und “B„ zurück. Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin vom 09. Juni 2008 wies der Beklagte nach Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme des Facharztes für Allgemeinmedizin und Psychotherapie Diplompsychologe B vom 8. August 2008 mit Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2008 zurück.
Die Klägerin hat am 10. November 2008 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben, mit der sie die Feststellung eines GdB von 70 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichen “G„ unter Bezugnahme auf die von ihr eingereichten medizinischen Unterlagen begehrt hat.
Das Sozialgericht hat Befundberichte der Heilpraktikerin S vom 17. Mai 2009, der Fachärztin für Allgemeinmedizin B- vom 22. Juni 2009, der Fachärzte für Orthopädie Dres. R und R sowie der Fachärztin für Psychiatrie B-P vom 07. Juli 2009 und medizinische Befundunterlagen des Klinikums a und der Bundesagentur für Arbeit B- beigezogen.
Mit Gerichtsbescheid vom 30. August 2010 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe weder einen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 50 noch auf Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für das begehrte Merkzeichen “G„. Der Gesamt-GdB sei in Anwendung der versorgungsmedizinischen Grundsätze nach der Anlage zu § 2 der Versorgungs-Medizinverordnung (VersMedV) zutreffend mit einem GdB von 50 bewertet worden. In Übereinstimmung mit der behandelnden Fachärztin für Psychiatrie B- sei die psychische Störung als stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit einzustufen, die nach Maßgabe vorgenannter Grundsätze die Festsetzung eines Einzel-GdB von 40 rechtfertige. Das Wirbelsäulenleiden sei in Auswertung des Befundberichtes der behandelnden Orthopäden wegen seiner mittleren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt mit einem GdB von 20 zu bewerten. Unter Zugrundelegung des Befundberichtes der behandelnden Allgemeinmedizinern B-sei das Bluthochdruckleiden ebenfalls mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Der Gesamt-GdB se...