Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft. Angemessenheitsprüfung im Land Berlin. Mietspiegel als Bezugsnorm für die Angemessenheitsprüfung. Anforderungen an die Zusicherung der Übernahme von Umzugskosten. Schlüssiges Konzept. Räumlicher Vergleichsmaßstab. Bauklassen. Gewichtung der Mietspiegelwerte. Kalte Betriebskosten

 

Orientierungssatz

1. Die Grenze für die Annahme der Angemessenheit der Wohnfläche beträgt für einen Ein-Personen-Haushalt in Berlin 50 Quadratmeter.

2. Der Vergleichsmaßstab für die Überprüfung der Angemessenheit der Kosten einer Unterkunft im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende ist bei einer Leistungsgewährung in Berlin das gesamte Stadtgebiet. Bezugsnorm für die Bestimmung der Mietobergrenze ist derzeit für die Stadt Berlin der Mietspiegel für das Jahr 2007. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass im Stadtgebiet Wohnung zu den im Mietspiegel angegebenen Mietpreisen verfügbar sind.

3. Die Zusage eines Sozialleistungsträgers, Mietkosten bis zu einer bestimmten Brutto-Warmmiete zu übernehmen, stellt noch keine Zusicherung zur Übernahme der Kosten eines Umzugs dar.

 

Normenkette

SGB II § 22 Abs. 1 S. 1; SGB II a.F. § 22 Abs. 2 S. 2, Abs. 3; WoFG § 27; WoBindG § 5; BGB § 558d

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 7. April 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte verpflichtet ist, Umzugskosten iHv 425,- € zu tragen.

Der 1958 geborene Kläger steht seit April 2008 im Leistungsbezug des Beklagten nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Am 23. Mai 2008 bezog er die im Rubrum bezeichnete Unterkunft, eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 57,11 m² (Mietvertrag vom 28. April 2008 für die Zeit ab 1. Juni 2008). Die Bruttokaltmiete belief sich seinerzeit auf monatlich 352,08 € (Grundmiete = 302,68 €; kalte Betriebskosten = 49,40 €). Ferner hatte der Kläger monatliche Vorauszahlungen für Heizkosten iHv 35,62 € zu entrichten. Grund des Umzugs war ein Räumungsurteil hinsichtlich der vorherigen Wohnung.

Am 27. April 2008 hatte der Kläger bei dem Beklagten die Übernahme von Wohnungsbeschaffungskosten beantragt und legte Kostenvoranschläge von drei Umzugsunternehmen vor. Der Beklagte lehnte die Übernahme von Umzugskosten mit Bescheid vom 21. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2008 ab, weil die Kosten der neuen Unterkunft nicht angemessen seien und eine Zusicherung insoweit nicht abgegeben worden sei.

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die auf Verurteilung des Beklagten zur Tragung von Umzugskosten iHv 425,- € gerichtete Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 7. April 2010). Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme der Umzugskosten gemäß § 22 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB II (in der seinerzeit geltenden Fassung - im Folgenden: alter Fassung - aF -). Eine Zusicherung des Beklagten zu den Kosten der neuen Unterkunft liege nicht vor. Eine entsprechende Zusicherung habe der Beklagte auch nicht erteilen müssen. Denn die Aufwendungen für die neue Wohnung seien nicht angemessen iSv § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Für den Kläger sei eine Wohnfläche von höchstens 50 m² angemessen. Als angemessener Nettokaltmietzins würden sich nach dem qualifizierten Berliner Mietspiegel vom 3. Juni 2009 ein Betrag von monatlich 4,76 €/m² und für kalte Betriebskosten ein Wert von monatlich 1,41 €/m² ergeben, mithin eine Bruttokaltmiete von monatlich 308,50 €. Eine Bruttokaltmiete von 352,08 € monatlich sei daher nicht angemessen. Überdies hätte der Kläger den Umzug auch in Eigenregie durchführen können.

Mit der - vom Landessozialgericht (LSG) zugelassenen - Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor: Entgegen der Auffassung des SG und des Beklagten seien die Kosten seiner Wohnung angemessen. Dies habe auch der 32. Senat des LSG so gesehen. Eine konkrete Unterkunftsalternative zu der vom SG angegebenen Miete habe nicht bestanden und sei auch vom SG und dem Beklagten nicht benannt worden. Überdies habe eine Zusage des Beklagten vorgelegen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 7. April 2010 und den Bescheid des Beklagten vom 21. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm Umzugskosten in Höhe von 425,- € zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt (vgl §§ 124 Abs. 2, 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

 

Entschei...

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