Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung: Anforderung an die Annahme einer vollen Erwerbsminderung bei Fähigkeit zur Teilzeitarbeit. Bestimmung des Eintritts des Versicherungsfalls. Zulässigkeit der Annahme einer erneuten Erwerbsminderung bei Verschlimmerung einer bestehenden Erkrankung

 

Orientierungssatz

1. Eine volle Erwerbsminderung liegt auch dann vor, wenn ein Versicherter zwar jedenfalls noch in Teilzeit erwerbstätig sein kann, der Teilzeitarbeitsmarkt ihm aber tatsächlich verschlossen ist. Von einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes ist dabei dann auszugehen, wenn weder der Rentenversicherungsträger noch die zuständige Arbeitsagentur dem Versicherten innerhalb eines Jahres einen für ihn in Betracht kommenden Arbeitsplatz anbieten können.

2. Für die Beurteilung des Eintritts einer Minderung der Erwerbsfähigkeit ist der Eintritt des Versicherungsfalls maßgebend, nicht der medizinische Sachverhalt. Der Leistungsfall tritt bereits mit dem Absinken des Leistungsvermögens unter sechs Stunden täglich ein, soweit eine tatsächliche Beschäftigungsmöglichkeit unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage nicht mehr besteht.

3. Ein einmal voll erwerbsgeminderter Versicherter kann nicht durch eine spätere Verschlimmerung der bestehenden Erkrankung erneut erwerbsgemindert werden.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab Mai 2002.

Der 1948 geborene Kläger absolvierte von 1965 bis 1967 eine Lehre als Schlosser und war von 1968 bis 1992 als Kellner und zuletzt als Barmixer berufstätig. Von 1993 bis 1998 war er selbstständig als Wohnungsmakler, vom 01. Mai 1999 bis 30. April 2000 war der Kläger als Betriebsleiter bei der D AG & Co. KG beschäftigt. Ab dem 01. Mai 1999 bis einschließlich Mai 2002 entrichtete er Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung bei der Beklagten (Versicherungsverlauf vom 13. Februar 2004).

Vom 28. Januar 2000 bis zu seinem Austritt bei der D AG & Co KG war der Kläger arbeitsunfähig. Vom 10. März 2000 bis zum 23. Mai 2001, unterbrochen durch die Zahlung von Übergangsgeld vom 01. August 2000 bis zum 21. August 2000, bezog er Krankengeld. Ab 18. Juli 2001 bis 20. August 2001 war er erneut arbeitsunfähig.

Am 10. Mai 2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. In dem Antrag gab er an, seit Januar 2000 wegen Morbus Bechterew mit peripherer Gelenkbeteiligung erwerbsgemindert zu sein.

Die Beklagte zog einen Reha-Entlassungsbericht der Rheumaklinik BL über eine Behandlung vom 31. Juli bis 21. August 2000 bei und veranlasste die Begutachtung des Klägers durch den Facharzt für Chirurgie und Sozialmedizin DM P, der in seinem nach Untersuchung des Klägers vom 03. Juni 2002 erstellten Gutachten diesen für auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig einsatzfähig hielt.

Mit Bescheid vom 18. Juli 2002 lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers mit der Begründung ab, dass dieser noch in der Lage sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Hiergegen legte der Kläger am 30. Juli 2002 Widerspruch ein, mit dem er geltend machte, seit 28. Januar 2000 “ärztlicherseits„ arbeitsunfähig zu sein, von seinen behandelnden Ärzten sei ihm schon Anfang 2000 empfohlen worden, einen EM-Rentenantrag zu stellen. Im Juli 2001 habe er eine EDV-Schulung aus gesundheitlichen Gründen abbrechen müssen. Von weiteren Schulungen sei ihm ärztlicherseits abgeraten worden.

Die Beklagte holte einen Befundbericht der Rheumaklinik B vom 21. August 2002 mit weiteren Nachweisen ein und veranlasste die Begutachtung des Klägers durch die Ärztin für Innere Medizin/Sozialmedizin Dr. Sch. Diese kam in dem nach körperlicher Untersuchung vom 08. Oktober 2002 erstellten Gutachten zu dem Ergebnis, dass der Kläger sowohl in seinem Beruf als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt lediglich drei bis unter sechs Stunden täglich einsatzfähig sei mit weiteren qualitativen Einschränkungen. Die Leistungseinschränkungen bestünden seit Januar 2000. Die Wahrscheinlichkeit einer Besserung sei nicht übermäßig groß.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit der Begründung zurück, dass der Versicherungsfall der Erwerbsminderung am 28. Januar 2000 eingetreten sei mit der Folge, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung nicht erfüllt seien. Im maßgeblichen Zeitraum vom 28. Januar 1995 bis 27. Januar 2000 seien nur neun Monate an Pflichtbeiträgen vorhanden. Besondere Dehnungszeittatbestände seien nicht gegeben.

Hiergegen hat der Kläger am 12. März 2003 Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben, mit der er geltend gemacht hat, dass zwar der 28. Januar 2000 der erste Tag seiner Krankschreibung gewesen sei, dies aber nicht identisch mit...

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