Entscheidungsstichwort (Thema)
Alg II. Unterkunft und Heizung. Einpersonenhaushalt in Berlin. Angemessenheitsprüfung
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. November 2019 geändert.
Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 12. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 6. März 2018 verurteilt, dem Kläger weitere Leistungen zur Deckung der Bedarfe für seine Unterkunft für August bis Dezember 2017 in Höhe von monatlich 83,21 Euro und für Januar bis Juli 2018 in Höhe von monatlich 73,40 Euro zu gewähren.
Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im gesamten Verfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist die Höhe des anzuerkennenden Bedarfs für die Unterkunft für die Monate August 2017 bis Juli 2018.
Der 1980 im Irak geborene Kläger, bei dem ein Grad der Behinderung von 60 anerkannt ist, steht seit Februar 2009 im Leistungsbezug des Beklagten. Ausweislich der Bestätigung seines Vermieters (S/ GbR) musste der Kläger aus der von ihm bewohnten Wohnung Sstraße ausziehen, da das Haus umfangreich modernisiert wurde. Aufgrund Mietvertrages vom 23. Juli 2014 zog der Kläger zum 1. August 2014 in eine im Erdgeschoss gelegene, mit Erdgas beheizte 2-Zimmer-Wohnung desselben Vermieters in der Sstraße mit einer monatlichen Miete von insgesamt 535,87 Euro im Streitzeitraum ein (Wohnfläche 51,88 qm, Fläche für Heizkostenabrechnung 42,34 qm; ab Juni 2017 Nettokaltmiete 422,80 Euro, Betriebskostenvorauszahlung 62,26 Euro, Heizkostenvorauszahlung 50,81 Euro). Die Warmwasseraufbereitung erfolgt über Erdgas. Eine Zusicherung des Beklagten hatte der Kläger vor dem Umzug nicht eingeholt. Nachdem der Beklagte zunächst nur die niedrigeren Kosten der alten Wohnung weiterzahlte, erkannte er im Juni 2016 nach Einholung einer ärztlichen Stellungnahme des Sozialpsychiatrischen Dienstes des zuständigen Bezirksamtes Reinickendorf von Berlin an, dass der Umzug erforderlich gewesen sei; da die Mietkosten der neuen Wohnung jedoch nicht den Angemessenheitskriterien entsprächen, könnten die Kosten für Unterkunft und Heizung (KdUH) lediglich bis zum individuell angemessenen Richtwert gewährt werden (Bescheid vom 14. Juni 2016).
Auf seinen Fortzahlungsantrag vom 27. Juni 2017 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. August 2017 bis 31. Juli 2018 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Alg II) und erkannte als Bedarf für die Wohnung monatlich (mtl.) eine Bruttokaltmiete in Höhe von 394,19 Euro und Heizkosten von 50,81 Euro (insgesamt 445,- Euro) an (Bescheid vom 12. Juli 2017, Widerspruchsbescheid vom 23. August 2017). Zur Begründung führte er an: Der Kläger sei zum 1. August 2014 ohne vorherige Zusicherung in eine unangemessen teure Wohnung umgezogen. Nach der Ausführungsvorschrift zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) in der Fassung vom 6. Dezember 2016 betrage der angemessene Richtwert für einen 1-Personen-Haushalt bei einer Gebäudefläche von 492,02 qm mit zentraler Gasheizung bruttokalt 364,50 Euro; Heizkosten seien in Höhe von 76,- Euro berücksichtigungsfähig. Es ergäben sich damit übernahmefähige Unterkunftskosten in Höhe von bruttokalt 364,50 Euro zzgl. der beim Kläger tatsächlich anfallenden Heizkosten von 50,81 Euro, mithin insgesamt 415,31 Euro. Dem Kläger seien begünstigend bereits 445,- Euro zuerkannt worden; eine darüber hinaus gehende Leistungsgewährung komme nicht in Betracht. Mit Änderungsbescheid vom 6. März 2018 berücksichtigte der Beklagte nach Maßgabe der inzwischen geänderten Verwaltungsvorschriften für die Zeit von Januar bis Juli 2018 KdUH in Höhe von insgesamt 454,81 Euro (404,- Euro Bruttokaltmiete zuzüglich 50,81 Euro Heizkosten)
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage abgewiesen. Bei den Aufwendungen für Unterkunft gälten von ihm selbst - anhand eines im SG Berlin entwickelten Modells - festgelegte Angemessenheitswerte auf der Grundlage des Berliner Mietspiegels 2017. Bei einer abstrakt angemessenen Wohnfläche von 50 qm ermittle sich der Wert von 399,- Euro (6,36 Euro/qm Nettokaltmiete und 1,62 Euro/qm Betriebskosten). Dieser Betrag sei nicht weiter anzuheben. Er gewährleiste Aktualität wegen seiner Anbindung an den Mietspiegel und der Auswertung alle zwei Jahre. Der Mietspiegel sei qualifiziert. Damit sei grundsätzlich davon auszugehen, dass Wohnungen zum angemessenen Quadratmeterpreis verfügbar seien. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Kläger aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes gehindert gewesen sei, eine günstigere Wohnung zu finden oder in seinem Suchradius eingeschränkt gewesen sei. Insofern habe das im Rentenverfahren S 20 R 1002/17 eingeholte Sachverständigengutachten vom 8. Oktober 2019 ergeben, dass der Kläger befähigt gewesen sei, die volle übliche Arbeitszeit von acht Stunden täglich zu leisten. Gegen das Urteil vom 4. Novem...