Entscheidungsstichwort (Thema)
Plausibilitätsprüfung der Abrechnungs-Sammelerklärung eines Vertragsarztes anhand von Tagesprofilen und Kürzung des Honorars auf den Fachgruppendurchschnitt
Orientierungssatz
1. Zur Feststellung, ob von einem Vertragsarzt abgerechnete Leistungen vollständig erbracht worden sind, ist es zulässig, Tagesprofile zu verwenden; sie sind ein geeignetes Beweismittel, um einem Arzt unkorrekte Abrechnungen nachzuweisen. In diesen Indizienbeweis dürfen nur Leistungen einbezogen werden, die ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetzen. Als Nachweis für eine Falschabrechnung des Quartals kann bereits ein falsch abgerechneter Tag ausreichen (Anschluss an BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 4 und BSG SozR 3-2500 § 83 Nr. 1).
2. Wegen der weitgehenden Wirkung der Rechtsfolgen aus der Abgabe einer unrichtigen Abrechnungs-Sammelerklärung erfordert die daraus abgeleitete Honorarkürzung in Anknüpfung an die Regelungen der §§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 48 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB 10 zumindest grobe Fahrlässigkeit (Anschluss an BSG SozR 3-5550 § 35 Nr. 1).
3. In aller Regel ist es nicht zu beanstanden, wenn bei der wegen der Falschabrechnung gebotenen pauschalierenden Schätzung ein Honorar in Höhe des Fachgruppendurchschnitts zuerkannt wird; dies ist auch dann sachgerecht, wenn der Vertragsarzt (hier: fachärztlicher Internist) bei der abgerechneten Fallzahl weit über dem Fachgruppendurchschnitt lag.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Februar 2003 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat der Beklagten die außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Kürzung des Honorars des Klägers um 69.767,70 DM für das II. Quartal 1996 auf den durchschnittlichen Fallwert seiner Fachgruppe in Folge einer durchgeführten Plausibilitätsprüfung.
Der Kläger ist Facharzt für Innere Medizin und nimmt - nunmehr als hausärztlicher Internist - seit April 1984 an der vertragsärztlichen Versorgung in B. teil.
Nach Einführung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragsärztliche Leistungen ≪EBM≫ in der ab dem 1. Januar 1996 geltenden Fassung und der infolgedessen festgestellten starken Leistungsausweitung im I. Quartal 1996 beschloss der Vorstand der Beklagten am 6. Juni 1996 zum I. Quartal 1996 eine Plausibilitätsprüfung der Honorarabrechnungen aller Berliner Vertragsärzte nach der so genannten Zeitrastermethode einzuführen. In daraufhin entwickelten Zeitrastern wurden sowohl die EBM-Mindestzeiten als auch die von der Beklagten unter Mitwirkung der Berufsverbände festgelegten Minimalzeiten ärztlicher, nicht delegierbarer Leistungen eingestellt. Am 14. Oktober 1996 und 26. November 1996 beschloss der Vorstand im Einzelnen das Prozedere der Durchführung sowie die festzulegenden Kriterien und Maßnahmen der Plausibilitätsprüfung und legte u. a. fest, dass unter Zugrundelegung des Zeitrasters eine durchschnittliche werktägliche Arbeitszeit von maximal bis zu 9,9 Stunden als realistisch anzusehen sei. Die Honorarabrechnung von Praxen mit einer durchschnittlichen werktäglichen Arbeitszeit von 10 bis 11,99 Stunden sei als implausibel und die Honorarabrechnung von Praxen mit einer durchschnittlichen täglichen Arbeitszeit von 12 Stunden und mehr sei als hoch implausibel einzustufen. In den Fällen einer Hochimplausibilität sollte eine Reduzierung des Honorars auf den Fachgruppendurchschnitt vorgenommen werden.
Im II. Quartal 1996 behandelte der Kläger 1336 Versicherte (der Fachgruppendurchschnitt lag bei 800) der gesetzlichen Krankenversicherung. Im Bereich Präventionen/Impfungen ergab sich ein Fallwert von 10,18 DM (Fachgruppendurchschnitt 3,53 DM) und für die übrigen Leistungen ein Fallwert von 121,59 DM (Fachgruppendurchschnitt 64,96 DM). Die Beklagte erstellte im Rahmen der Prüfung der Plausibilität Tagesprofile für die Zeit vom 1. April bis zum 30. Juni 1996 und ermittelte, dass der Kläger Leistungen mit Mindestzeiten von 877 Stunden, 31 Minuten und 18 Sekunden im II. Quartal 1996 abgerechnet hatte. Verteilt auf 60 Werktage ergab dies eine Durchschnittsleistung von 12 Stunden, 42 Minuten und 41 Sekunden. Die von der Beklagten erstellten Tagesprofile ergaben im April 1996 werktägliche Arbeitszeiten von bis zu 17,18 Stunden (16. April), im Mai 1996 von bis zu 15,28 Stunden (28. Mai) und im Juni 1996 von bis zu 13,16 Stunden (6. Juni).
Mit Bescheid vom 31. Januar 1997 korrigierte die Beklagte das dem Kläger für das II. Quartal 1996 ausgezahlte Honorar auf den Fachgruppendurchschnitt und kürzte es um 81.926,56 DM. Die sich ausschließlich an Zeitvorgaben orientierte Plausibilitätskontrolle habe ergeben, dass er im II. Quartal 1996 unter Berücksichtigung einer Fünf-Tage-Woche ärztliche Leistungen erbracht habe, die pro Tag mindestens eine Stundenanzahl von 14,9 erfordere. Unter Berücksichtigung der darüber hinausgehenden organisatorischen Maßnahmen innerhalb einer Vertragsarztpraxis sei...