Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenübernahme für eine brustvergrößernde Operation bei Transsexualität
Leitsatz (amtlich)
Bei Mann-zu-Frau Transsexualität kommt eine operative Brustvergrößerung als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung nur in Betracht, wenn entweder die geschlechtsangleichende Operation mit der Entfernung der männlichen Keimdrüsen nicht zu einem akzeptablen Wachstum der Brüste geführt hat oder eine geschlechtsangleichende Operation gar nicht durchgeführt werden soll.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Krankenkasse der Klägerin die Kosten für eine Brustvergrößerungsoperation zu erstatten hat.
Bei der im Oktober 1967 geborenen Klägerin besteht eine primäre Mann-zu-Frau-Transsexu-alität. Sie wird seit mehr als 15 Jahren mit einer Hormontherapie behandelt. Sie lebt seit 2006 auch in der Öffentlichkeit als Frau.
Im Juli 2006 erfolgte in einer Klinik in A eine operative Gesichtsfeminisierung. Im darauf folgenden Monat ließ die Klägerin eine erste Operation zur Veränderung der Stimmlage vornehmen.
Mit Schreiben vom 19. März 2007 beantragte sie u. a. eine erneute Operation wegen der Stimmhöhe. Mit weiterem Antragsschreiben vom 17. Juli 2007 begehrte sie im Anschluss an die Stimmanpassung eine medizinisch fundierte Logopädie, den chirurgischen Brustaufbau und eine geschlechtsangleichende Genitaloperation, so dass (dann) alle primären und sekundären Geschlechtsmerkmale angeglichen seien.
Die Beklagte schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e. V. (MDK) ein. Im Rahmen der Untersuchungen im Juli 2007 durch den ausführenden Gutachter Dipl.-Med. M äußerte die Klägerin u. a., ein weiblicher Brustaufbau werde bei ausbleibend genügendem Erfolg der laufenden Hormonbehandlung gewünscht. Der Gutachter gelangte in seiner Stellungnahme vom 14. August 2007 aus psychiatrischer Sicht zu den Feststellungen, dass bei der Klägerin eine manifeste Transsexualität Mann-zu-Frau bestehe. Ein durch die Transsexualität bedingter Leidensdruck habe weder durch ein Leben in der gewünschten weiblicher Identität im Alltagserprobungstest noch durch ausreichend durchgeführte begleitende Psychotherapie und die gegengeschlechtliche Hormonbehandlung gelindert werden können. Die Klägerin habe eine männlich tiefe Stimme, welche die Stimmigkeit der weiblichen Identität erheblich mindere und welche im Zusammenhang mit der Transsexualität der Versicherten zu erheblichem Leistungsdruck führe. Psychische Erkrankungen, welche ein transsexuelles Syndrom bedingen könnten, seien nicht bekannt.
Der Gutachter empfahl weitere Maßnahmen. Wegen der beantragten geschlechtsangleichenden Operation bedürfe es noch der MDK-Begutachtung durch einen Facharzt im operativen Gebiet.
Mit Beschluss vom 7. September 2007 änderte das Amtsgericht Schöneberg (Geschäftsnummer: 70 III 59/07) im Verfahren auf Vornamensänderung nach dem Transsexuellengesetz den Namen der Klägerin.
Aus chirurgischer Sicht nahm für den MDK Dr. H nach Untersuchung der Klägerin am 17. September 2007 mit Gutachten vom 20. September 2007 Stellung zu deren Wunsch nach einem Brustaufbau. Es bestehe ein Befund, der als Mikromastie zu werten sei mit bereits deutlicher Prominenz der Brustdrüsen über der Thoraxvorderwand und einem Brustdrüsenkörpervolumen von ca. 50 ml je Seite. Bei einem solchen Befund sei nach Begutachtungsrichtlinien auch bei biologisch als Frau geborenen Menschen keine medizinische Indikation für einen Brustaufbau ableitbar. Es sei möglich, dass die Brustgröße nach der Kastration im Rahmen der Genitalumwandlung noch zunehme. Bei manifester Transsexualität Mann-zu-Frau sei eine Genitaltransformation medizinisch indiziert.
Unter dem 1. Oktober 2007 schrieb die Beklagte daraufhin unter anderem an die Klägerin, zur Erteilung der Kostenübernahme der Genitaltransformation sei noch ein ärztlicher Einweisungsschein erforderlich. Für den zusätzlich - ohne den erforderlichen Einweisungsschein - beantragten Brustaufbau sei keine medizinische Indikation ableitbar. Es sei möglich, dass die Brustgröße nach der Genitaltransformation noch zunehme. Eine Kostenübernahme für eine stationäre Krankenhausbehandlung könne daher nicht erfolgen.
Die Klägerin erhob am 22. Oktober 2007 Widerspruch gegen die Ablehnung einer Kostenübernahme für einen chirurgischen Brustaufbau. Der MDK habe möglicherweise nicht alle Umstände hinreichend gewürdigt. Beim derzeitigen Zustand der Brust handele es sich um einen regelwidrigen körperlichen Zustand. Die regelmäßige Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sei durch das völlige Fehlen einer weiblichen Brust erheblich beeinträchtigt.
Im November 2007 wurde auf Kosten der Beklagten eine zweite Stimmbänderoperation vorgenommen.
Die Klägerin reichte am 7. Januar 2008 eine Krank...