Entscheidungsstichwort (Thema)
Maßgebliche Kriterien der Versicherungspflicht einer Pflegekraft
Orientierungssatz
1. § 2 S. 1 Nr. 2 SGB 6 begründet über die Beschäftigtenpflichtversicherung nach § 1 S. 1 Nr. 1 SGB 6 hinaus eine Versicherungspflicht für selbständig tätige Pflegepersonen in der Kranken-, Wochen-, Säuglings- und Kinderpflege, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen.
2. Ist eine für einen ambulanten Pflegedienst tätige Pflegekraft in der stationären Krankenpflege eines Krankenhauses eingesetzt, unterliegt sie dabei den Weisungen des Krankenhausträgers und ist sie in dessen Betrieb eingegliedert, hat sie ein nennenswertes unternehmerisches Risiko nicht zu tragen und erhält sie eine fest vereinbarte monatliche Vergütung bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 38,5 Stunden pro Woche, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.
3. Ist die Pflegekraft nicht regelmäßig beschäftigt, so unterfällt sie dem Tatbestand, in welchem eine Zeitgeringfügigkeit i. S. des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB 4 maßgebend ist.
4. Eine Beschäftigung wird berufsmäßig ausgeübt, wenn sie für den Beschäftigten nicht nur von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung ist und dieser damit seinen Lebensunterhalt überwiegend oder doch in einem solchen Umfang bestreitet, dass seine wirtschaftliche Situation zu einem erheblichen Teil auf dieser Beschäftigung beruht (BSG Urteil vom 14. 3. 2018, B 12 bKR 17/16 R).
5. Nach § 27 Abs. 3 Nr. 3 SGB 3 sind Personen in einer unständigen Beschäftigung, die sie berufsmäßig ausüben, versicherungsfrei. Unständig ist eine Beschäftigung, die auf weniger als eine Woche der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im Voraus durch Arbeitsvertrag beschränkt ist.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. April 2016 geändert und neu gefasst:
Der Bescheid der Beklagten vom 16. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 2014 wird geändert. Es wird festgestellt, dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) am 21. Februar 2014 versicherungsfrei in der gesetzlichen Kranken-, Renten- und sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung war und am 02. März 2014, 07. März 2014, 28. März 2014, 08. April 2014, 21. April 2014 sowie in den Zeiten vom 03. Mai 2014 bis 05. Mai 2014, vom 03. Juni 2014 bis 04. Juni 2014 und vom 24. Juni 2014 bis 26. Juni 2014 nicht der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
Insoweit wird die Berufung zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin ¼ ihrer außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin in allen Zweigen der Sozialversicherung wegen Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) an einzelnen Tagen zwischen dem 21. Februar 2014 und dem 26. Juni 2014 versicherungspflichtig war.
Die Beigeladene zu 1) betreibt als Krankenhausträger im Land Brandenburg u.a. ein Neurologisches Fachkrankenhaus für Bewegungsstörungen/Parkinson, ein Fachkrankenhaus für neurologische Frührehabilitation sowie eine Neurologische Rehabilitationsklinik als Plan- bzw. Vertragskrankenhäuser in B. Da im streitigen Zeitraum keine (weiteren) Fachkräfte zur Festanstellung zu finden waren, behalf sie sich zur Schließung von Personalengpässen zunächst mit Leiharbeitnehmern und dann mit Honorarkräften.
Die 1975 geborene Klägerin ist examinierte Krankenpflegerin mit einer Zusatzausbildung im Bereich Pflegedienstleitung. Sie war aufgrund eines im August 2013 abgeschlossenen Arbeitsvertrages in der hier streitigen Zeit beim ambulanten Pflegedienst J G UG mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden bei einer monatlichen Bruttovergütung von 2.500,00 € abhängig beschäftigt. Die Klägerin hatte sich auf einem Online-Portal einer Vermittlungsagentur für selbständige medizinische Fachkräfte, die deutschlandweit arbeitet, registriert.
Die Klägerin erbrachte im Auftrag der Beigeladenen zu 1) für diese Leistungen der stationären Krankenpflege (Grund- und Behandlungspflege) in allen drei Krankenhäusern. Dazu schlossen beide, beginnend mit dem 21. Februar 2014 bis zum 26. Juni 2014, inhaltlich gleichlautende Dienstleistungsvereinbarungen (DV) über entsprechende einzelne Tätigkeitszeiträume für einen oder mehrere Einsatztage. Als „Auftraggeber“ genannt war nach den Einzel-DV die Kliniken B GmbH Neurologische Rehabilitationsklinik. Die Auftragsvergabe für die Einzeleinsätze erfolgte, indem sich die Klägerin auf dem Online-Portal auf Auftragsangebote, d.h. einzelne zeitlich näher bestimmte Einsätze, meldete, welche die Beigeladene zu 1) ihrerseits dort zuvor eingestellt hatte. Die Vermittlungsagentur gab die Meldungen der Klägerin an die Beigeladene zu 1) weiter, diese vereinbarte dann via E-Mail oder ...