Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankengeld. Meldefrist. Ruhenstatbestand. überlappende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Erhält ein Versicherter eine Arbeitsunfähigkeits-Folgebescheinigung vor Ablauf der vorangegangenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, so wird letztere nicht gegenstandslos.

2. Die Wochenfrist zur Meldung der Arbeitsunfähigkeit nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V beginnt bei Erhalt einer Folgebescheinigung mit dem ersten Tag nach Ablauf des vorangegangenen Arbeitsunfähigkeitszeitraums und nicht mit der (verfrühten) neuen ärztlichen Feststellung von Arbeitsunfähigkeit (Anschluss an LSG Darmstadt vom 8.2.2018 - L 1 KR 333/17).

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. August 2017 sowie der Bescheid der Beklagten vom 26. Oktober 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2017 aufgehoben; die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum 15. bis 23. Oktober 2016 Krankengeld in Höhe von 64,71 Euro netto (73,55 Euro brutto) kalendertäglich zu zahlen.

Die Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten für das gesamte Verfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die im Jahre 1958 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin begehrt die Leistung von Krankengeld für den Zeitraum 15. bis 23. Oktober 2016.

Sie war ab dem 18. August 2016 infolge eines depressiven Syndroms (F 32.2 G) arbeitsunfähig und erhielt von der Beklagten ab dem 29. September 2016 Krankengeld in Höhe von 64,71 Euro netto (73,55 Euro brutto) kalendertäglich.

Am 16. September 2016 stellte der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. W Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 14. Oktober 2016 fest. Am 13. Oktober 2016 (Donnerstag) stellte dieser Arzt eine bis einschließlich 11. November 2016 geltende Folgebescheinigung aus. Diese Folgebescheinigung ging erst am 24. Oktober 2016 (Montag) bei der Beklagten ein.

Mit Bescheid vom 26. Oktober 2016, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 23. März 2017, lehnte die Beklagte die Gewährung von Krankengeld für den Zeitraum 15. bis 23. Oktober 2016 ab, denn insoweit fehle es an einer rechtzeitigen Meldung der Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V.

Die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 29. August 2017 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Auf der Grundlage von § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ruhe der Anspruch auf Krankengeld im streitigen Zeitraum. Mit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 13. Oktober 2016 habe diejenige vom 16. September 2016 ihre Gültigkeit verloren. Ihre gesetzliche Meldeobliegenheit hätte die Klägerin bis zum 20. Oktober 2016 erfüllen müssen. Aus § 5 Abs. 1 Satz 5 Entgeltfortzahlungsgesetz ergebe sich nichts anderes (Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, L 5 KR 5457/13). Das Sozialgericht hat in dem Urteil zugleich die Berufung zugelassen.

Gegen das ihr am 6. September 2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am  5. Oktober 2017 Berufung eingelegt. Sie trägt im Wesentlichen vor: Sie habe die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 13. Oktober 2016 bereits am 21. Oktober 2016 (Freitag) in den Hausbriefkasten der Beklagten eingeworfen und damit ihre Meldepflicht rechtzeitig erfüllt. Weil zunächst Arbeitsunfähigkeit bis zum 14. Oktober 2016 bescheinigt worden sei, beginne die Folgearbeitsunfähigkeit erst am 15. Oktober 2016. Der Ablauf der Wochenfrist sei daher auf den 22. Oktober 2016, einen Samstag, gefallen, mit der Folge, dass die Wochenfrist erst am darauffolgenden Montag, 24. Oktober 2016, geendet habe. Das Überlappen der auf einander folgenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen dürfe der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen. Unabhängig davon sei der vom Sozialgericht in Bezug genommenen Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg zu § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz nicht zu folgen; es gebe divergierende Rechtsprechung anderer Landessozialgerichte, wonach es dem Vertragsarzt obliege, die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse zu melden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. August 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. Oktober 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr für den Zeitraum 15. bis 23. Oktober 2016 Krankengeld in Höhe von 64,71 Euro netto (73,55 Euro brutto) kalendertäglich zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Entscheidungsfindung war.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist zulässig. Zwar beläuft sich der Beschwerdewert nur auf 661,95 Euro (neun Leistungstage zu je 73,55 Euro, maßgeblich ist der Bruttobetrag des Krankengeldes [vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. März 2...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge