Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht: Berücksichtigung geringer Funktionsbehinderungen bei der Bildung eines Gesamt-GdB
Orientierungssatz
1. Ist aufgrund zweier bestehender Leiden mit einem Einzel-GdB von 30 bzw. 20 die Bildung eines Gesamt-GdB von 40 unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen und der daraus folgenden Beeinträchtigung am Leben in der Gemeinschaft geboten, so führt das Vorliegen weiterer kleinerer Funktionsbehinderungen, die jeweils für sich einen Einzel-GdB von nicht mehr als 10 begründen, im Regelfall nicht zu einer weiteren Erhöhung des Gesamt-GdB auf 50 oder mehr.
2. Einzelfall zur Bildung eines Gesamt-GdB bei mehreren geringfügigen Beeinträchtigungen am Leben in der Gesellschaft.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Januar 2008 wird zurückgewiesen, soweit der Rechtsstreit nicht erledigt ist.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des beim Kläger festzustellenden Grades der Behinderung (GdB).
Für den 1946 geborenen Kläger stellte der Beklagte 1999 einen GdB von 20 fest. Auf einen Neufeststellungsantrag des Klägers vom November 2001 stellte der Beklagte mit bestandskräftigen Bescheid vom 29. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. August 2002 neben den bereits anerkannten Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule und einem Magenleiden zusätzlich eine rezidivierende Bronchitis, ein Prostataleiden sowie Hämorrhoiden mit Fettstoffwechselstörung als weitere den Gesamt-GdB nicht erhöhende Funktionsbeeinträchtigungen fest.
Auf einen weiteren Neufeststellungsantrag vom 13. November 2003 holte der Beklagte ein versorgungsärztliches Gutachten des ärztlichen Gutachter vom 23. Februar 2004 ein, der unter Anerkennung von weiteren Funktionsbeeinträchtigungen durch eine Sehbehinderung sowie eine Hörbehinderung und Ohrgeräusche, die er jeweils mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet, einen Gesamt-GdB von 20 feststellte. Dem folgend lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 07. April 2004 den Antrag ab und verwies darauf, dass die festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen mit dem Gesamt-GdB von 20 hinreichend berücksichtigt worden seien. Auf den dagegen vom Kläger am 05. Mai 2004 eingelegten Widerspruch holte der Beklagte ein weiteres versorgungsärztliches Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie -Sozialmedizin - G vom 12. August 2004 ein. Die Fachärztin stellte eine weitere Funktionseinschränkung durch chronische Kopfschmerzen und Depressionsneigung fest, die sie mit einem Einzel-GdB von 20 bewertete und unter Berücksichtigung dessen einen Gesamt-GdB von 30 ansetzte. Dem folgend gab der Beklagte dem Widerspruch des Klägers unter Zurückweisung im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 09. September 2004 teilweise statt und stellte einen Gesamt-GdB von 30 fest. Dem legte er folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde (verwaltungsintern jeweils die zugeordneten Einzel-GdB):
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a) Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (20) |
b) seelische Störung, chronische Kopfschmerzen (20) |
c) chronische Magenschleimhautentzündung (10) |
d) Prostataleiden (10) |
e) Hämorrhoidenleiden, Fettstoffwechselstörung (10) |
f) Beeinträchtigung des Sehvermögens (10) |
g) Ohrgeräusche /Tinnitus (10) |
h) rezidivierende Bronchitis (10). |
Der Kläger hat am 07. Oktober 2004 dagegen beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben, mit der er die Gewährung eines GdB von 50 geltend machte. Nach Einholung diverser Befundberichte und einer vom Beklagten veranlassten augenärztlichen Begutachtung durch Dr. , der in seinem Gutachten vom 17. Oktober 2005 für die Beeinträchtigung des Sehvermögens einen Einzel-GdB von 10 feststellte, hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30. Januar 2008 unter Auswertung der aktenkundigen Befundberichte gestützt auf die dazu erfolgten versorgungsärztlichen Begutachtungen und Stellungnahmen abgewiesen. Die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers seien mit dem zuerkannten Gesamt-GdB von 30 hinreichend bemessen.
Gegen den am 12. Februar 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 01. März 2008 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung verweist der Kläger darauf, dass ein Gesamt-GdB von 50 bereits unter Berücksichtigung der folgenden Einzelkomplexe festzustellen wäre: 1. Wirbelsäulenleiden anzusetzen mit einem Einzel-GdB von 30, 2. seelischen Leiden anzusetzen mit einem Einzel-GdB von 40 sowie 3. eine Hirnleistungsminderung, welche unter Verweis auf ein im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg erstelltes Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K vom 17. Januar 2007 mit einem Einzel-GdB von 30 bis 40 anzusetzen sei. Darüber hinaus kämen ferner noch die weiteren aktenkundigen Beeinträchtigungen hinzu.
Der Beklagte hat nach Einholung weiterer versorgungsärztlicher Stellungnahmen zum Vorbringen des Klägers und den vom Senat zur Sachaufklärung eingehol...