Entscheidungsstichwort (Thema)
Schaden durch verspätete Rentenantragstellung. Sinn und Zweck des § 115 Abs 6 SGB 6. eigenes Handeln
Leitsatz (amtlich)
Es ist nicht Sinn und Zweck des § 115 Abs 6 SGB VI die Versicherten vor Schäden zu bewahren, die durch eigenes Handeln oder das eines Vertreters entstehen.
Normenkette
SGB VI § 99 Abs. 1, § 115 Abs. 6, § 235 Abs. 1, 2 S. 1
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 23. Januar 2013 wird zurück- gewiesen.
Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der am 1940 geborene Kläger begehrt die Gewährung einer Regelaltersrente bereits ab dem 1. November 2005, streitig ist, ob er nach den zum sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch entwickelten Grundsätzen so zu stellen ist, als ob er hierfür rechtzeitig einen Antrag gestellt hätte.
Am 4. Juli 2003, unterschrieben am 18. August 2003, erging durch das Amtsgericht Hohenschönhausen ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss über einen Gesamtbetrag von 52 194,14 Euro gegen den Kläger, wohnhaft R Straße in B, zugunsten seines Neffen, des Zeugen F W. Als Hauptforderungen sind bezeichnet Ansprüche aus Darlehensrückzahlung und ungerechtfertigter Bereicherung. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), ist hierin als Drittschuldnerin zu 3) im Hinblick auf einen bestehenden und zukünftigen Anspruch des Klägers auf fortlaufende Rente in Höhe der pfändbaren Beträge bestimmt. Der Neffe des Klägers wurde in diesem Verfahren vertreten durch die Rechtsanwälte L und R.
Am 8. März 2004 erteilte der Kläger dem Zeugen W notariell eine Generalvollmacht, ihn in allen seinen Angelegenheiten, also auch in Vermögens- und persönlichen Angelegenheiten, in jeder rechtlich zulässigen Weise zu vertreten (der Kläger wird hier als Programmierer, der Zeuge als Taxiunternehmer bezeichnet). Insbesondere sei der Bevollmächtigte befugt, geschäftliche Handlungen zu tätigen, wie z. B. Anträge, Mitteilungen und Verfahrenshandlungen vorzunehmen und den Kläger gegenüber Gerichten, Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten.
Für den 14. Oktober 2005 findet sich in der Verwaltungsakte ein Vermerk, dass an den Kläger ein Hinweisschreiben gemäß § 115 Abs. 6 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) gesandt worden sei .
Mit Schreiben vom 7. Juni 2006 wandte sich Rechtsanwalt L für den Zeugen W an die Beklagte und führte unter Bezugnahme auf den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss und die entsprechende Drittschuldnererklärung der Beklagten aus, dass der Kläger inzwischen rentenempfangsberechtigt sei und daher von der Beklagten eine Altersrente erhalten müsste. Man bitte um eine aktuelle Drittschuldnererklärung. Zugleich wurde für den Zeugen W die Tstraße in B als neue Anschrift mitgeteilt. Auf dem Schreiben findet sich rückseitig die Verfügung/der Vermerk, dass die “neue Anschrift des Vers.„ gespeichert worden sei sowie die Abgabe an ein Sonderteam. Mit Schreiben vom 19. Juni 2006 teilte für die Beklagte Frau Z mit, dass die Forderung vorgemerkt und bei Bewilligung einer Rentenleistung geprüft und berücksichtigt werde, eine Leistung werde derzeit nicht gezahlt.
Ausweislich eines Telefonvermerkes der Beklagten vom 23. Mai 2008 rief der Kläger an diesem Tag an und erkundigte sich nach dem Sachstand. Er habe vor zirka drei Jahren einen Rentenantrag gestellt und bis heute keinen Bescheid erhalten. Die Anschrift laute R Straße in B.
Nachdem die Beklagte einen Antrag bei sich nicht auffinden konnte, legte sie als Datum der Rentenantragstellung dasjenige dieser telefonischen Nachfrage zugrunde.
Mit Schreiben vom 30. Mai 2008 teilte die Beklagte mit, dass ein Rentenantrag bei ihr zu keiner Zeit eingegangen sei. Sollten Nachweise über die Antragstellung vorliegen, bitte man, diese einzusenden. Ein mit Datum vom 4. Juli 2008 vom Kläger unterschriebener förmlicher Antrag wurde der Beklagten in der Folgezeit am 5. August 2008 übermittelt. In diesem ist ausgeführt, dass der Rentenantrag im Juli 2005 per Post an die BfA gesandt worden sei. Er sei in einen Briefkasten beim Postamt in M eingeworfen worden. Nach zirka einem Jahr habe er, der Zeuge W als Bevollmächtigter, bei der Beklagten nach dem Sachstand gefragt. Ihm sei mitgeteilt worden, dass noch Lücken im Verlauf seien, die noch nicht geklärt seien, aber die Rente werde nachgezahlt und verzinst. Aus diesem Grund habe er so lange nicht mehr nachgefragt. Ein Nachweis über die Antragstellung sei nicht vorhanden. Zum Kläger wurde angegeben, dass dieser seit Juli 1985 bis laufend ohne Beschäftigung und Hausmann sei. Zur Akte gereicht wurde ferner die notarielle Vollmachtsurkunde vom 8. März 2004.
Mit Rentenbescheid vom 25. September 2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Regelaltersrente, ausgehend von einem Antrag vom 23. Mai 2008, beginnend am 1. Mai 2008. Der monatliche Zahlbetrag betrug bei Rentenb...