Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragspsychotherapeut. Sonderbedarfszulassung. Beherrschung einer besonderen Kommunikationsmethode
Leitsatz (amtlich)
Die Beherrschung einer besonderen Methode zur Verständigung mit sprachbehinderten Menschen (hier: augmentative alternative Kommunikation) begründet keinen Anspruch auf Sonderbedarfszulassung als Psychologischer Psychotherapeut.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. Mai 2010 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1). Im Übrigen tragen die anderen Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine Sonderbedarfszulassung des Klägers zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung im Zulassungsbezirk Berlin.
Der 1954 geborene Kläger ist Diplompsychologe und Diplomsoziologe. Er ist seit Januar 1999 als Psychologischer Psychotherapeut approbiert und wurde im Februar 2007 als solcher in das Arztregister der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns eingetragen.
Am 30. Juni 2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten seine Sonderbedarfszulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung als Psychologischer Psychotherapeut. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an: Sein Antrag beziehe sich auf die Unterversorgung in der psychotherapeutischen Behandlung zweier Klientengruppen, nämlich zum einen von solchen, die nicht sprechen bzw. eine massive Sprachbehinderung haben und mit einem bereits zugelassenen Therapeuten die Psychotherapie nicht durchführen können, weil sie nicht verstanden werden, und zum anderen von solchen, die Englisch als Muttersprache sprechen und aufgrund ihres kulturellen und sozialen Hintergrunds eine Psychotherapie in Englisch durchführen müssen. Zu letzterer Gruppe gehörten etwa 30.000 Menschen in Berlin, die nicht oder kaum Deutsch sprächen. Für diese gebe es nicht genügend Behandler englischer Muttersprache. Für ein optimales Verständnis und eine optimale Behandlung der Betroffenen sei häufig unabdingbar, dass der Therapeut Englisch als Muttersprache spreche. Zu ersterer Gruppe gehörten etwa 0,5 % der Bevölkerung Berlins, mithin etwa 17.500 Einwohner. Diese seien aufgrund von angeborenen, prä-, peri- oder postnatalen sowie durch Unfall oder Krankheit erworbenen Schädigungen lautsprachlich eingeschränkt. Der überwiegende Anteil sei so stark sprachbehindert bzw. nicht sprechend, dass er in der Regel von einem Fremden nicht verstanden werde. Eine signifikante Anzahl dieser Personen habe aufgrund der Folgen der Sprachbehinderung emotionale und psychische Probleme und benötige daher psychotherapeutische Hilfe. Er habe es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen mit unterschiedlichen Sprachbehinderungen und insbesondere nicht sprechende Menschen ihren Bedürfnissen gemäß zu behandeln. Auch für diesen Bereich gebe es nicht genügend zugelassene Kollegen. Im Rahmen seiner Ausbildung habe er eine psychologisch-psychotherapeutische Interventionsmethode, die AAC-Therapie, entwickelt (augmentative alternative Kommunikation). Durch seine Sonderbedarfszulassung könne auch die Versorgung dieser Gruppe von Klienten in angemessener Weise gewährleistet werden.
Mit Beschluss vom 10. September 2008 lehnte der Zulassungsausschuss für Ärzte und Psychotherapeuten den Antrag des Klägers auf Sonderbedarfszulassung zur Teilnahme an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung ab. Eine Unterversorgung mit psychotherapeutischen Leistungen durch Psychologische Psychotherapeuten bestehe nicht und drohe auch nicht, denn der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen habe eine Überversorgung mit 160,2 Prozent festgestellt und daraufhin Zulassungssperren verhängt. Die Voraussetzungen für eine Sonderbedarfszulassung nach Nr. 24 der Bedarfsplanungs-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses erfülle der Kläger nicht. Von der Sicherstellung der vertragsärztlichen und der vertragspsychotherapeutischen Versorgung seien nur Tätigkeiten erfasst, die ihrer Natur nach unmittelbar zur ärztlichen oder psychotherapeutischen Behandlung zählten und die der Arzt oder Psychotherapeut aufgrund seines Fachwissens zu verantworten habe. Die Behebung von Sprachschwierigkeiten zwischen Patienten und Behandlern bzw. Fremdsprachenkenntnisse seien aber gerade nicht Bestandteil des ärztlichen oder psychotherapeutischen Fachwissens, sondern Teile der persönlichen Bildung des Behandlers.
Zur Begründung seines hiergegen erhobenen Widerspruchs hat der Kläger im Wesentlichen ausgeführt: Der Widerspruch beziehe sich nur auf die Patientengruppe der nicht sprechenden oder schwerst sprachbehinderten Menschen. Zur Gruppe dieser Patienten gehörten, gemessen an der Klassifikation der ICD-10, u. a. folgende Diagnosen: Artikulationsstörungen, expressive Sprachstörungen, atypischer Autismus, Rett-Syndrom, sonstige und Bewegungsstereotypien, Asperge...