Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftlichkeitsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung. Richtgrößenprüfung. Erstattung von Vorverfahrenskosten. erweiterte Auslegung von § 63 Abs 1 SGB 10 bei erfolgreicher Abwehr eines Drittwiderspruchs. Kostenfestsetzungsbescheid. Gegenstandswert. Gebührenrahmen. 2,5-fache Geschäftsgebühr
Leitsatz (amtlich)
Zur Bemessung des objektiven Werts eines Widerspruchsbegehrens.
Orientierungssatz
1. Jedenfalls im Bereich des Vertragsarztrechts ist bereits seit längerem die Notwendigkeit und Zulässigkeit einer erweiterten Auslegung des § 63 Abs 1 SGB 10, die hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruchs die erfolgreiche Abwehr eines Drittwiderspruchs dem Erfolg des eigenen Widerspruchs gleichstellt, anerkannt (vgl BSG vom 18.12.1996 - 6 RKa 33/95 = SozR 3-1300 § 63 Nr 9 und vom 31.5.2006 - B 6 KA 62/04 R = BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3).
2. Zum Ansatz einer 2,5-fachen Geschäftsgebühr für die anwaltliche Tätigkeit im Rahmen einer Richtgrößenprüfung.
3. Der Umstand, dass bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen der bevollmächtigte Rechtsanwalt auf die Vorarbeit bzw Zuarbeit seines Auftraggebers, des Arztes, angewiesen ist, mindert nicht die Komplexität der mit der Interessenwahrnehmung verbundenen Aufgaben.
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 20. März 2013 wird abgeändert.
Der Beklagte wird unter Änderung des Kostenfestsetzungsbescheides vom 13. Mai 2011 verpflichtet, weitere Kosten in Höhe von insgesamt 579,63 Euro als Erstattung festzusetzen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt 90 % und der Beklagte 10 % der Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, welche diese selbst zu tragen haben.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit ist die Höhe der Festsetzung des Kostenerstattungsanspruches der Klägerin gegen die Beigeladenen zu 2 bis 7 durch den Beklagten.
Die Prüfungsstelle Arbeitsgemeinschaft Wirtschaftlichkeitsprüfung Brandenburg GbR (Prüfungsstelle) setzte mit Bescheid vom 08. Dezember 2008 im Verfahren zur Wirtschaftlichkeitsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 106 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) gegen die Klägerin einen Regress wegen Überschreitung des Richtgrößenvolumens im Bereich von Arznei- und Verbandmitteln im Jahr 2006 in Höhe von 38.648,32 Euro fest.
Hiergegen erhoben sowohl die Klägerin als auch die Beigeladene zu 3 sowie die Rechtsvorgängerin der heutigen Beigeladenen zu 2, die AOK Brandenburg (nachfolgend nur noch: “Beigeladene zu 2„) Widerspruch.
Die Klägerin wurde dabei seit 15. Januar 2009 von ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten vertreten.
Die Beigeladene zu 3 führte im Widerspruchsverfahren u. a. aus, der Abzug von Opioiden in Höhe von 4.831,53 Euro sei abzulehnen. Die Beigeladene zu 2 trug vor, im Bescheid seien unter Punkt II diverse Therapien mit Arzneimitteln als Praxisbesonderheiten anerkannt worden, obgleich diese zum allgemeinen Spektrum einer neurologischen Praxis gehörten. Sie gab ferner zur Vorbereitung der Sitzung des Beklagten eine ergänzende Stellungnahme ab. Darin gelangte sie zu dem Fazit, dass weitere Maßnahmen geboten seien.
Aufgrund der Beschlüsse in seiner Sitzung vom 17. Februar 2010 gab der Beklagte dem Widerspruch der Klägerin teilweise statt und setzte (nur) eine Beratung fest. Die Widersprüche der Beigeladenen zu 2 und 3 wurden zurückgewiesen. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, insgesamt erkenne der Beklagte Praxisbesonderheiten in Höhe von 435.527,65 Euro an. Das Richtgrößenvolumen werde damit um mehr als 15 Prozent, jedoch mit 24,94 Prozent um weniger als 25 Prozent überschritten.
Die Klägerin beantragte mit Schriftsatz vom 03. Mai 2010 8.234,80 Euro als (zu ihren Gunsten) erstattungsfähige Kosten festzusetzen. Der Gegenstandswert betrage 435.141,60 Euro. Zwar sei gegen die Klägerin nur ein Regress in Höhe von 38.648,32 Euro ausgesprochen worden. Zu berücksichtigen seien jedoch auch die Widersprüche der Krankenkassen, welche mit dem Ziel der Erhöhung des Regresses in Höhe des gesamten Überschreitungsbetrages erfolgt seien.
Beantragt wurden konkret 2,5 Geschäftsgebühren sowie die Post- und Telekommunikationspauschale und Umsatzsteuer. Zur Höhe der Gebühren wurde darauf hingewiesen, dass es sich um ein durchaus die Existenz bedrohendes Verfahren mit erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung handele. Die Sache sei komplex, daher sei die Zugrundelegung einer Höchstgebühr unter Beachtung der mündlichen Verhandlung sachgerecht.
Der Beklagte setzte mit dem hier streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsbescheid vom 13. Mai 2011 die von ihm selbst zu tragenden Kosten auf 1.100,70 Euro und die von den Widerspruchsführern zu 2 und 3 als Gesamtschuldner auf 1.241,22 Euro fest (zusammen 2.341,92 Euro). Der dem zu Grunde liegende Streitwert wurde auf 43.648,32 Euro festgesetzt.
Zur Begründung führte er aus, der Streitwert richte sich nach § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG)....